Wolfram von Eschenbach
in der Manessischen Liederhandschrift
Bildquelle: Wikipedia
Die wehrliche Ritterschaft,
Höret, was ihr Nahrung schafft:
Sie leben von einem Stein,
Dessen Art muß edel sein.
Ist euch der noch unbekannt,
Sein Name wird euch hier genannt:
Er heißet Lapis exilis.
Von seiner Kraft der Phönix
Verbrennt, daß er zu Asche wird
Und dann der Glut verjüngt entschwirrt.
Der Phönix schüttelt sein Gefieder
Und gewinnt so lichten Schimmer wieder,
Daß er schöner wird als eh.
Wär einem Menschen noch so weh,
Doch stirbt er nicht denselben Tag,
Da er den Stein erschauen mag,
Und noch die nächste Woche nicht;
Auch entstellt sich nicht sein Angesicht:
Die Farbe bleibt ihm klar und rein,
Wenn er täglich schaut den Stein,
Wie in seiner besten Zeit
Einst als Jüngling oder Maid.
Säh er den Stein zweihundert Jahr,
Ergraurn würd ihm nicht sein Haar.
Solche Kraft dem Menschen giebt der Stein,
Daß ihm Fleisch und Gebein
Wieder jung wird gleich zur Hand:
Dieser Stein ist Gral genannt.
Wolfram von Eschenbach
(um 1160/80 - um/nach 122o)
aus: Parzival, Kap.: Trevrezent
(um 1160/80 - um/nach 122o)
aus: Parzival, Kap.: Trevrezent
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen