Freitag, 16. Dezember 2011

Der Hund

Ein Mops, der in der Welt sich trefflich umgesehn,
Und auch dasjenige, was hier und da geschehn,
Gar artig zu erzählen wußte,
War, wenn er in Gesellschaft kam
Der andern Zeitvertreib, indem er ihren Gram
Durch manch Histörchen stillen mußte.
Er kam mit seinem Herrn, vor nicht gar langer Zeit,
Zu Junker Hansens Hochzeitfeste,
Und größerte, bey der Gelegenheit,
Die Zahl der ungebetnen Gäste.
Er hatte grade noch gefehlt,
Und war der Vierzigste, wofern ich recht gezählt.
Bey so viel Hunden ward Gang, Haus und Hof gedrange,
Man hatte Noth genug, daß man nur keinen trat.
Dem Koche selbst ward in der That
Vor soviel Nebentischern bange,
Die, wenn sie in die Küche kamen,
Ihm, eh er sichs versah, da Fleisch vom Spiesse nahmen;
Er prügelte gewaltig zu,
Und dennoch liessen ihm die Hunde keine Ruh.
Mops war der ehrlichste; der gieng nicht von der Stelle;
Er lag im Winkel dort, unweit der Stubenschwelle,
Und plauderte sich da nach Wunsche müd und satt,
Mit einem Budel aus der Stadt.
Die Trauung sollte noch geschehen.
Ach! hub der Budel an, das Ding, das muß ich sehen;
Ich bin ein Kerl, der gern was neues sieht und hört;
So bald man in die Kirche fährt:
So will, so werd ich mich, zu meinem großen Glück,
Schon wissen mit hinein zu dringen;
Die angestellte Brautmusik
Soll, hör ich, gar vortrefflich klingen.
O ja! versetzte Mops. Es wird dich nicht gereuen,
Lauf immer mit und dräng dich auf das Chor!
Ich hab es schon gesehn; mir thut so Kopf als Ohr
Noch heut zu Tage weh von dem empfunden Schreyen.
Wie, fragte Budel, siehts mit der Musik denn aus?
Beschreib mirs doch ein wenig zum voraus.
Hier steht, verfolgte Mops, ein groß- und schwarzer Mann,
Der seinen rechten Arm nicht stille halten kann;
Er schleuderte ihn bald auf- bald wieder unterwärts,
Um, weil er in dem Ernst die Leute nicht darf schlagen,
Durch diesen fürchterlichen Scherz
Der Jugend neben ihm ein schrecken einzujagen.
Es hält ein jedes Kind ein Blatt in seiner Hand;
Was drauf geschrieben steht, das ist mir nicht bekannt,
Vielleicht ists ein Bericht von lauter Mordgeschichten;
Die Ruthe wenigstens muß drauf gemalet seyn;
Sie fangen allemal erbärmlich an zu schreyn,
So oft sie das Gesicht auf ihr eBlätter richten.
Nächst diesen sah ich auch noch zwo Perücken stehn;
Wem die gehöreten, das kann ich nicht mehr wissen;
Doch das gedenkt mich noch, sie fingerten gar schön
auf gelben Prügelchen, worein sie stattlich bliessen.
Ein Blaurock, der darneben stund,
Nahm einen gelben Wurm in Mund;
Und weil er ihm vielleicht den Kopf halb abgebissen:
So schrie der arme Wurm so gar erschrecklich sehr,
Als wenn er wirklich schon dem Tod im Rachen wär.
Das aber, wie mich dünkt, war hier der größte Spaß,
Daß ein gewissen Herr bey einem Kasten saß,
Auf welchem eine lange Reihe
Von gelb- und schwarzen Hölzchen lag.
So bald er stark drauf schlug, erhub sich ein Geschreye,
Daß jedermann davor erschrack;
Daß ließ er auf einmal viel tausend Amseln pfeifen,
So daß der Schall davon den Thurm gefährlich wog;
Im Gegentheil, bey seinem sachten Greifen,
Piept allemal ein junges Huhn,
Und zwar so lang in einem Thun,
Bis der vergriffne Herr die Hand zurücke zog;
Sie nannten ihn den Organist.
Itzund besinn ich mich, versetzte Budel, wieder;
Ich habe viel gehört von einem meiner Brüder,
Daß dieser Hühnervogt ein großer Künstler ist,
Den niemand ohn Entzückung höre,
Den jedermann bewundre, lieb und ehre.
Hoho! rief unser Mops. Mit Gunst!
Ein Organist zu seyn ist eben keine Kunst;
Die Hühner müßten denn mit allem Fleiße passen,
Sonst will ich sie so gut, als jemand, schreyen lassen;
Ich weis schon, wie mans macht. Mops nahm nun den Entschluß,
mit auf das Chor zu gehn und seinen Mann zu weisen
Er lief und nahm den Pudel mit;
Der sollte nach der Zeit sein Lob bey andern preisen.
De Bräutigam und die Braut that gleich den letzten Schritt
An den geweihten Ort, wo man sie trauen sollte;
Der rechte Organist saß schon und griff drauf los;
Der Anfang war versäumt. Weswegen Mops beschloß,
Daß er nach diesem sich der Welt schon zeigen wollte.
Er mußte mit Verdruß die längste Weile rasten,
Bis endlich auch an ihn die Reih zu greifen kam.
Denn als die Vormusik ihr frohes Ende nahm:
Verließ der Organist den Sitz bey seinem Kasten
Trat bey dem Brustbaum hin, und sah in stiller Ruh
Der angegangnen Trauung zu;
So gleich sprang unser Hund, mit schnell-bewegten Füssen,
Auf dem Pedal herum, und orgelte recht grob.
Den alten Organist schien dieses zu verdreisssen,
Und da sien Substitut sich in die Höhe hob,
Die schwarzen Hölzchen zu berürhen:
So gab er ihm so gleich das Trinkgeld vor den Kopf,
Und hinderte dadurch den unverschämten Tropf
An seinem weitern Musciren.
Der Hund erzürnte sich, fieng selber an zu schreyn,
Und biß dne, der ihn schlug, aus Rachsucht in das Bein.
Durch diesen Lermen nun, wie leicht zu denken ist,
Warad das gesammte Chor auf einmal wild und rege.
Der unbefugte Organist
Bekam für seine Müh recht sehr viel Stöß und Schläge.
Das war sein unverhoffter Lohn.
Er schlich mit seiner Kunst nunmehr beschämt davon,
Und schwur, selbst wenn ihn auch die Leute darum bäten,
Die Orgel und das Chor nicht wieder zu betreten.
***
Als ein Historicus war unser Hund schon recht;
Doch als ein Organist bestund er gar zu schlecht.

Daniel Stoppe (1697 - 1747)
Neue Fabeln
1740

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