Samstag, 28. Januar 2012

Der Esel und der Fabeldichter

„Herr!“ sagte ein Esel zu einem Fabeldichter, „wenn ich in deinem Buche wieder eine Rolle spielen muß, so laß mich Dach auch etwas Vernünftiges reden.“
„Sage deinem Treiber,“ versetzte der Fabeldichter; „er soll dich zuerst vernünftig denken lehren, dann werde ich dich auch vernünftig sprechen lassen.“
„Das thut er nicht,“ sprach der Esel; „denn er behauptet, wenn ich anfange zu denken, so höre ich auf, Disteln zu fressen, Lasten zu tragen, und Gehorsam zu leisten.“

Dies behaupten auch die Despoten des Landmanns, wenn von Schulenverbesserung die Rede ist.

Joseph Krause
Fabeln für unsre Zeiten und Sitten
Strasburg und Mainz, 1801

Mittwoch, 25. Januar 2012

Der dunkle Pfad


In der Reihe BunTES Abenteuer ist die phantastische Erzählung »Der dunkle Pfad« erschienen. Das Heft (32 Seiten) kann einzeln bezogen, aber auch die ganze Reihe (8 Hefte jährlich) abonniert werden.

Horst-Dieter Radke

Dienstag, 24. Januar 2012

Ein Freund wie Enkidu


Der Autor liest aus der ersten Novelle, »Tamis Rückkehr« vor:

  Tami by Horst Dieter Radke

Montag, 23. Januar 2012

Die Nachtigallen und ihr Wärter

Eine alte Fabel, die heute, angesichts der verqueren Bemühungen, das Urheberrecht zu beschneiden, wieder aktuell ist:

Ein reicher Mann, der ein Freund der Nachtigallen war, verreiste auf einige Zeit. Vor seiner Abreise gab er dem NachtigallenWärter eine summe Gelds, um für Futter und andere Bedürfnisse der Nachtigallen zu sorgen. Der Wärter aber behielt das Geld für sich, und ließ die Nachtigallen darben. Bey der Rückkehr des Herrn waren die Sängerinnen stumm und traurig.

„Warum“, fragte der Herr, „singet ihr, und freuet euch nicht über meine Ankunft?“

„Wer sollte singen, und sich freuen“, sagten die Nachtigallen, „wenn man uns Not leiden lässt?“
-
Wie sollten Künste und Wissenschaften im Staate blühen, wenn Künstler und Gelehrte hungern müssen?

Joseph Krause
Fabeln für unsre Zeiten und Sitten
Strasburg und Mainz, 1801

Donnerstag, 19. Januar 2012

Talergirl


  Talergirl by a_r

Horst-Dieter Radke

Mittwoch, 18. Januar 2012

… aus Aegypten gekommen seyn soll

Da die ganze Fabel von der poetischen Hölle aus Aegypten gekommen seyn soll, so hält man es für sehr wahrscheinlich, daß ein dasiger König Chebres oder Kebron zu der Erdichtung des Cerberus Anlaß gegeben.

Hederich, Benjamin
Gründliches mythologisches Lexikon
Leipzig 1770., Sp. 667-672

Montag, 16. Januar 2012

Eine hübsche Parabel

(c) Jeremias Radke

Eine kluge Prinzessin wurde von einem beschränkten, aber sehr mächtigen König geliebt, schenkte aber seinen Werbungen kein Gehör. Als er immer dringender und infolgedessen lästiger wurde, beschloß sie, ihn für immer aus ihrer Nähe zu entfernen. Dies mußte jedoch mit Güte geschehen, denn die Feindschaft des starken Nachbarn wollte die Prinzessin ihrem Lande nicht zuziehen.
So sprach sie denn eines Tages zu ihm: »Deine Treue hat mich gerührt, und ich will sie belohnen. Du sollst mein Gemahl werden, wofern es dir gelingt, die Aufgabe zu lösen, welche ich dir stellen will.«
Darauf erwiderte der König: »Nenne sie, und wenn es im Bereich menschlicher Kraft liegt, so werde ich sie erfüllen.«
»Ziehe hin«, sagte darauf die Prinzessin, »und suche mir folgende drei Dinge ausfindig zu machen: Ein Vorurteil, das durch Vernunft besiegt wurde. Eine Torheit, die so groß ist, daß noch kein Mensch sie begangen hat. Eine Lästerung, so schamlos, daß sie keine Zunge findet, um sie zu wiederholen.«
Der König lachte und gab Befehl, die Hochzeitsfeier zu bereiten, denn er meinte, in wenigen Tagen schon seine Braut heimzuführen. Dann begab er sich auf die Reise.
Dies geschah vor tausend Jahren, und bis heute ist er nicht zurückgekommen.

E.T.
aus. Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens
Jahrgang 1904, Elfter Band, S. 226 f.

Sonntag, 15. Januar 2012

Flamme und Wind

Die kleine Fabel vom Streichholz in einer akustischen Fassung:

  Flamme und Wind by a_r

Die Textfassung befindet sich hier.

Horst-Dieter Radke

Samstag, 14. Januar 2012

118. Die Klage des Mondes


Der Mond beschwerte sich einstmals bey seiner Mutter über die Hunde, die ihm ganze Stunden mit größter Bitterkeit anbelleten. Er meynte, dergleichen weder bey Thieren noch Menschen verschuldet zu haben. Die Mutter sagte darauf: Ey! meine Tochter! Nimm dieses nicht so sehr zu Herzen. Die Hunde sind mehr zu beklagen, die sich heiser bellen, als du, die du so weit von ihnen entfernt bist.

Moralische Fabeln mit beygefügten Erklärungen einer jeden Fabel
Aus dem Dänischen des Herrn Barons von Holberg 
übersetzt durch J.A.S.K.D.E.
Leipzig 1752

Freitag, 13. Januar 2012

Indras Irrtum

Der Anfang meiner zweiten Novelle aus dem Buch »Indras Irrtum« zum Hören:

  Indras Irrtum (Anfang) by a_r

Donnerstag, 12. Januar 2012

Die Menge der Freunde

Wenn jeder gleich verdient, ein Freund genannt zu werden,
Der, wenn er uns erblickt, mit lächelnden Geberden,
Uns grüßt, uns gern zu sehen scheint;
Der eilt, und den besuch uns niemals schuldig bleibet,
Beym Weine mit uns scherzt, und uns die Zeit vertreibet;
Was ist gemeiner, als ein Freund?

Jedoch gehört allein für den des Freundes Name,
Der unsre Sorgen theilt; gerührt von unserm Grame,
Mit uns in unserm Unglück weint;
Uns, eh wir bitten, hilft; uns liebt, doch uns nicht schmeichelt;
Ja, träf ihn unser Zorn, nicht unsern Lüsten heuchelt;
So ist nichts seltner, als ein Freund.

Dieß glaubt‘ auch Sokrates. Wer weiß, scheint er nicht vielen,
Die vor dem Glück noch nicht der Freunde Mangel fühlen,
Wenn ich erzählt, was er gesagt,
Ein Menschenfeind zu seyn, den seine Milzsucht plagt.
Als er ein kleines Haus sich einstens angelegt,
Fragt ihn, ich weiß nicht, wer? wie nun der Vorwitz pflegt:
Was doch dem großen Mann, dem weitberühmten Weisen,
Den selber die Orakel preisen,
Die enge Hütte nützen soll?
Der Weise spricht darauf: Wie viel wollt‘ ich drum geben;
O wie vergnügt wollt‘ ich nicht leben,
Hätt‘ ich es erst von wahren freunden voll!

Wer dieß dem weisen Mann verdenkt,
Der weiß noch nicht die Anzahl seiner Feinde,
Die ihn theils öffentlich, theils heimlich auch gekränkt.
Doch hätt‘ er euch gekannt, ihr Freunde,
Die mir des Himmels Gunst geschenkt:
So zweifl ich nicht, er hätt‘, um euerwillen,
Der süßen Hoffnung nicht entsagt,
Mit Freunden, die kein Sturm verjagt,
Sein kleines Haus ganz anzufüllen.

Johann Adolf Schlegel
Leipzig 1769

Mittwoch, 11. Januar 2012

Zwei Wege





Der Fürst im Berg
Neue Märchen
von
Horst-Dieter Radke

ISBN 978-1-4710-3907-2

zu beziehen übers Internet oder versandkostenfrei direkt vom Autor (autor[at]hd-radke.de)


Ein Märchen daraus gibt es hier auch auf die Ohren:

  Zwei Wege by a_r

Dienstag, 10. Januar 2012

Fabelschmied

der F., der Urheber einer erdichteten Erzählung

Theodor Heinsius
Vollständiges Wörterbuch der deutschen Sprache …
Wien 1828

Montag, 9. Januar 2012

Storch und Falke

Ein junger Storch sah im Vorüberflug
Den Falken, den ein Fürste trug,
Wenn er zur Reigerbeitze ritte,
Und sprach: Es braucht nur eine Bitte
Bey der Dianen Majestät,
So werd ich ach im Rang erhöht;
Ich bin ohn daß schon hochgebohren,
Und zu der Jägerei erkoren.
Ich spieß Eideren, Frosch und Schlangen,
Was will man mehr von mir verlangen?
Drauf kam er, supplicando, ein,
Man mögt ihm auch ein Amt verleihn,
Und ein Diploms drüber schreiben,
Daß er getitelt könnt an ihrem Hofe bleiben.
Diana sprach: Was sucht der Geck?
Wenn er die Torheit will bezahlen,
So lasset ihm zwo güldne Frösche mahlen,
Im grünen Feld. Zwo Storch an jeder Eck,
Und außen her zwo wilde Katzen,
Als Wappenhalter dran, mit aufgehabnen Tatzen.
Sein künftger Tittel sey: Freiherr von Schlangenreuter,
Erbherr auf Klapperndorf, genannt von Reisignest,
In, und  zu Schnabelheim, etcetera, so weiter:
Wir wollen, daß man ihn dafür paßiren läßt.

aus:
Neue Fabeln und Erzählungen in gebundener Schreibart
Hamburg, verlegst Conrad König, 1749

Samstag, 7. Januar 2012

Hebberts Kriminalfälle - Folge 1


Wir sind inne neunzehnhundertfuffziger Jahre nach Gesus Christus. Datt ganze Revier is am malochen. Datt ganze Revier? Schief gewickelt! Ne unbeuchsame Kumpel steht in Untahemd an Gaatenzaun in Bochum un tut nix. Nur kucken. Un Hebbert sieht allet, watt vor sich geht. Un denkt sich sain Teil.

Ein neues E-Book, für den amazon kindle über den kindle-shop zu beziehen.

Donnerstag, 5. Januar 2012

Der tote Mann und der Mond


Ein alter Mann sah einen Toten, auf welchen der Schein des Mondes fiel. Er rief eine große Anzahl Tiere zusammen und redete sie also an: »Wer von euch als tapferen Leuten will es auf sich nehmen, diese Leiche auf das entgegengesetzte Flußufer zu tragen, und wer den toten Mond?« Zwei Arten von Kröten meldeten sich; die eine mit den langen Beinen übernahm den Mond, die andere mit den kurzen Beinen den toten Menschen. Die Trägerin des Mondes gelang ihr Unternehmen; diejenige des Menschen aber ertrank infolge der Kürze ihrer Beine. Und das ist der Grund, weshalb der tote oder untergegangene Mond immer wieder erscheint, der Mensch dagegen, wenn er einmal tot ist, nicht mehr zurückkehrt.

Afrikanische Fabel

Mittwoch, 4. Januar 2012

Und weiter mit den Märchen


Das nächste fabelhafte Märchen ist als E-Book erschienen. Bobby, der Teddybär wird nicht mehr gebraucht. Er liegt an der Straße und wartet auf den Sperrmülltransporter. Da kommt Kratzer, der Rabe hinzu und plötzlich gibt es wieder Hoffnung. Zu Kratzer und Bobby gesellen sich im Laufe der Geschichte noch Otto, das Mädchen und Johnny, das Schwein. Wie die vier sich durchschlagen erzählt diese Geschichte, die für viele einen hohen Wiedererkennungswert haben wird.


Dienstag, 3. Januar 2012

Die junge und die alte Maus


Ein junges Mäuschen ging auf Reisen,
kam bald zurück ins Mutterhaus,
Und sprach: »Du Mut mich unterweisen,
Denn mein Verstand reicht noch nicht aus,
ich sehe mancherlei Gestalten
Vor meinem Blick vorüber zieh'n,
Und weiß mich dann nicht zu verhalten:
Soll ich mich nahen oder flieh'n?
So sah' ich heut' in einer Scheuer,
Worin ich still geschlichen war,
Ein wunderbares Abenteuer,
Voll Schreck und grausender Gefahr.
Ein Ungetüm von rauen Sitten,
Und feuerroth ums Haupt vor Zorn
Kam frech und stolz herein geschritten,
An beyden Füßen einen Sporn.
Es rauschte furchtbar mit den Schwingen,
Und öffnete den Hals dabey,
Als wollt' es mich im Nur verschlingen,
Doch tat’s nur einen langen Schrei:

Dagegen sah ich in der Ferne
ein Wesen, ganz der Anmut Bild;
Die Augen funkelten, wie Sterne,
Und waren dennoch fromm und mild.
Sanft', wie auf Rosen, kam's gegangen,
Und leckte sich fein säuberlich
Das Bärtchen und die weißen Wangen,
Dies mit zarten Pfötchen strich.
Voll Lieb' und Lust, die mich durchglühten,
Hätt' ich's um Freundschaft gern ersucht;
Allein des Flügelschlägers Wüten
Erschreckte mich zu schneller Flucht.«

»Das dank ihm ewig!« sprach die Mutter,
»Denn dich bezauberte, mein Kind,
Die schlaue Katze, deren Futter
Wir armen Mäuse täglich sind.
Doch stört, trotz seiner Flügelschläge,
Der Hahn nie unsre Sicherheit.
Geh' nur den Schleichern aus dem Wege;
Die Polterer Thun dir kein Leid.«
Vaterländische Unterhaltungen
Ein belehrendes und unterhaltendes Lesebuch
zur Bildung des Verstandes, Veredlung des Herzens,
Beförderung der Vaterlandsliebe und gemeinnütziger Kenntnisse
für die Jugend Österreichs
von Leopold Chimani
Vierter Teil, Wien 1815
Im Verlage bey Anton Doll

Montag, 2. Januar 2012

Keine Fabel …


… aber eine Kriminalnovelle als E-Book kann über den Amazon kindle-Shop bezogen werden. Die Herausgabe dieser alten Kriminalnovelle schien mir interessant, weil es ein frühes Beispiel für das Problem des "geschlossenen Raums" ist und weil ich der Meinung bin, dass sich hin und wieder das Lesen alter Novellen aus dem 19. Jahrhundert lohnt. Die Novelle ist mit einem Nachwort versehen, mit Anmerkungen zu Details, die heute nicht mehr ohne weiteres verständlich sind und einem Editionsbericht über die vorgenommenen Änderungen am Urtext. Die alte Schreibweise wurde weitgehend beibehalten und nur dort wo Druckfehler oder Unheitlichkeiten festzustellen waren, sowie eine allzugroße Abweichung von der heutigen Schreibweise vorlag wurden Anpassungen vorgenommen.

Sonntag, 1. Januar 2012

Ein Jahr ist nichts …

Ein Jahr ist nichts, wenn man's verputzt,
ein Jahr ist viel, wenn man es nutzt.
Ein Jahr ist nichts, wenn man's verflacht;
ein Jahr war viel, wenn man es ganz durchdacht.

Ein Jahr war viel, wenn man es ganz gelebt;
in eigenem Sinn genossen und gestrebt.
Das Jahr war nichts, bei aller Freude tot,
das uns im Innern nicht ein Neues bot.

Das Jahr war viel, in allem Leide reich,
das uns getroffen mit des Geistes Streich.
Ein leeres Jahr war kurz, ein volles lang:
nur nach dem Vollen misst des Lebens Gang,
ein leeres Jahr ist Wahn, ein volles wahr.
Sei jedem voll dies gute, neue Jahr.

Hanns Theodor Wilhelm Freiherr von Gumppenberg
(1866-1928)