Dienstag, 27. März 2012

Tausend!


Dies ist der tausendste Blogeintrag in meinem Fabelblog. Und deshalb muss dieser Eintrag auch ein »fabelhafter« sein. Unter allen, die sich hierher verirren oder regelmäßig vorbeischauen, und die mir eine Mail mit dem Betreff »fabelhaft« senden, verlose ich ein Exemplar meines Märchenbuchs »Der Fürst im Berg«. Diese Aktion läuft bis Ende März, also bis zum 31.3.2012. Einen neuen Blogeintrag wird es erst im April geben.



Ich freue mich natürlich, wenn etwas mehr als nur der Betreff in der Mail steht. Noch mehr freue ich mich, wenn eine kleine neue Fabel geschickt wird, die ich hier auch posten darf. Aber all das hat keinen Einfluss auf die Verlosung. Ich schreibe die Mailadressen auf einen Zettel und lege diese in eine Schachtel. Aus dieser Schachtel lasse ich jemanden den Sieger ziehen. Es gibt also keine digitale, sondern eine alte und bewährte analoge Ziehung. :-)

Eine Adresse muss nicht mitgeschickt werden. Die kann ich beim Sieger per Mail erfragen. So muss ich gar nicht erst erklären, dass ich mit den Adressen nichts anfangen werde. Auch die Mails lösche ich nach dem Ende der Verlosung und reiche die Mailadressen an niemanden weiter.

Horst-Dieter Radke

Montag, 26. März 2012

Die Eiche und die Fichte


Die Eiche.
Wie kommst du in den hoch erhabnen Eichenwald,
Nichtswerthe Fichte? Such’ dir einen Aufenthalt
Beim Pöbel deiner Art.

Die Fichte.
Ihr hoch erhabnen Eichen!
Ein kleiner Ehrgeiz treibet mich:
Bei’m Pöbel meiner Art sind größer noch, als ich;
Hier überseh’ ich eures gleichen.

Johann Gottlieb Willamov (1736 - 1777)
aus: Dialogische Fabeln, Berlin, 1791

Mittwoch, 21. März 2012

Leipziger Buchmesse 2012


Fabelhafte Wesen waren auf der Leipziger Buchmesse 2012 zu sehen. Das Foto wurde aus dem Stand der 42er Autoren heraus fotografiert, die bereits das dritte Mal in Folge auf der Messe waren und fabelhafte Gespräche mit Autoren und anderen Besuchern geführt haben. Trotz Euphorie, die vor allem von E-Book-Anbietern verbreitet wurde, zeigte sich doch deutlich, dass das gedruckte Buch noch nicht ausgedient hat. Neben Standardware gab es auch wunderschöne Bücher. So habe ich am Stand von dtv die Pop-Up-Ausgabe des »Kleinen Prinzen« von Saint-Exupéry gesehen und mich davon begeistern lassen. Für Kinder? Nicht ausschließlich! Man kann sich auch als Erwachsener davon begeistern lassen.


Samstag, 10. März 2012

Donnerstag, 8. März 2012

Der Mann und der Tod


Ein Mann, der mehr als fünf Jahrzehnte des Lebens durchmessen hatte, Freud und Leid, Muße und Arbeit, Glück und Unglück erfahren durfte, war des Lebens müde geworden. Was soll all dies noch, dachte er, neues werde ich kaum noch erleben können. Er rief nach dem Tod. Und da stand er plötzlich vor ihm.
»Du hast mich gerufen, mein Freund?“
Völlig konsterniert wusste der Mann nichts zu sagen.
»Nun bin ich da«, sagte der Tod. »Stets zu Diensten und immer bereit.«
»Ich weiß auch nicht, was mich da gerade geritten hat«, antwortete der Mann.
»Da kann ich dir auf die Sprünge helfen. Du bist deines Lebens überdrüssig, weißt nicht mehr, was du noch tun sollst. Und du hast mich gerufen. Laut und deutlich.«
»Hab ich das wirklich?« fragte der Mann. »Da kannst du mal sehen, was einem so passiert, wenn man philosophiert und tiefsinnigen Gedanken folgt. Das habe ich eigentlich nicht ernst gemeint.«
»Das verstehe ich wiederum nicht«, antwortete der Tod. »Da willst du etwas und meinst es nicht so? Aber sag nichts, ich kenne euch Menschen, und solche Wünsche passieren euch nicht nur, wenn ihr an die letzten Dinge denkt. Jetzt bin ich hier, was meinst du, was ich tun soll?«
»Kannst du nicht einfach wieder gehen?« fragte der Mann hoffnungsvoll.
Der Tod schüttelte den Kopf.
»Oder ruft dich möglicherweise gerade ein anderer?«
Wieder verneinte der Tod.
»Na dann komm du doch einfach mit mir. Das wäre eine Abwechslung, anstatt dass immer nur die Menschen mit dir gehen.«
Der Tod sah ihn verblüfft an, zögerte und nickte dann.
»Ja, das wäre mal etwas anderes. Also gut, ich komme eine Weile mit dir mit.«
Und so gingen der Tod und der Mann zusammen durch das Leben. Allerdings musste er bald feststellen, dass dies nicht vorteilhaft für ihn war. Die Menschen wichen dem Mann aus und mochten nicht mit ihm verkehren. Jemand, der mit dem Tod gut Freund schien, war niemandem geheuer. Bald wurde es einsam um den Mann. »Was lohnt es da noch zu leben, wenn man keinen hat, mit dem man reden, lachen, trinken, essen, sich freuen oder ärgern kann?«
»Willst du jetzt mit mir kommen?«, fragte der Tod.
Der Mann nickte. Der Tod aber antwortete:
»Gerade höre ich jemand anderen rufen. Du hast jetzt schon so lange Geduld gezeigt, da wird es dir sicher auf eine kleine Frist nicht mehr ankommen. Ich komme wieder, aber bis dahin lebe gut.«
Der Tod verschwand. Der Mann stellte kurz darauf fest, dass sich mit anderen Menschen doch gut auskommen ließ. Sie sprachen wieder mit ihm, lachten, wenn sie ihn sahen und bald lebte er vergnügt und freute sich an jedem Tag seines Lebens. Das ging eine lange Zeit, und er dachte nicht mehr an den Tod.
Eines Nachts aber kam er, als der Mann schlief. Er nahm ihn ohne ein Wort zu sagen mit. Als man ihn am anderen Morgen fand, trug der Mann ein Lächeln im Gesicht.

Horst-Dieter Radke

Dienstag, 6. März 2012

Die beiden Ziegen

Zwei Ziegen begegneten sich mitten auf einem schmalen Stege, der über ein Wasser führte; keine wollte weichen. Sie versuchten ihre Kräfte gegen einander, sie rannten mit den Köpfen tüchtig zusammen, sie glitten aus und stürzten beide in’s Wasser, wo sie umkamen.
O Nachgiebigkeit, wie viel Unheil könntest du verhüten!


Lebensweisheit in Fabeln
für die Jugend
Von Friedrich Hoffmann,
Hofprediger in Ballenstedt
Stuttgart, Hoffmann’sche Verlags-Buchhandlung, 1840

Samstag, 3. März 2012

Der treue Hund

Schnuppernd schlich sich um die Schaafe
Rings der Wolf mit schlauem Blick,
Ob wohl Spitz, der Wächter, schlafe,
Und die Schäfchen flohn zurück.

Eng gedrückt auf einen Haufen,
Zittern sie von ihm bedroht;
Eilen sich ihm zu entlaufen,
In der größten Angst und Noth.

Und er spricht mit List zu Spitzen:
»Ei! wie möcht' ich doch wie du,
Bei den dummen Schaafen sitzen,
So in träger fauler Ruh.«

»Komm mit in den Wald spazieren,
Kühl ists dort, nicht heiß, wie hier.
Laß dich, Freundchen, von mir führen,
Steh nur auf und folge mir.«

Aber Spitz weißt ihm die Zähne,
Heisset ihn bei Zeiten gehn,
Wenn er etwa sich nicht sehne,
Noch der Schaafe Herrn zu sehn.

Nimm, o Kind! vom Spitz die Lehre,
Folge ja dem Heuchler nicht,
Der, damit er dich bethöre,
Mit verstellten Worten spricht.

Karoline Stahl
Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder
Nürnberg 1821

Freitag, 2. März 2012

Der Fürst im Berg


Ein Märchen daraus kann man sich hier anhören:

Tiger und Jäger

Der Tiger hatte den Jäger Satthvananda gefangen. Zufrieden lag das Raubtier da, weil es zuvor ein Reh gefressen hatte und hielt den Jäger mit seiner mächtigen Pranke am Boden fest,.
„Warum frisst du mich nicht?“ fragte Satthvananda.
„Ich bin satt“, schnurrte der Tiger zufrieden.
„Dann lass mich doch gehen, ich nütze dir ja nichts.“
„Satt werde ich nicht ewig sein“, sagte der Tiger. „Dann bist du mir gerade recht.“
Der Jäger überlegte, wie er sich aus den Pranken des Tigers befreien könnte. Der erste Schreck war verflogen und die Zufriedenheit des Tigers schien ihm eine gute Gelegenheit zu sein.
„Hör zu“, sagte Satthvananda. „Lass mich einfach gehen. Wenn du dann Hunger hast, kommst du zu mir. So kann ich zwischenzeitlich noch einiges erledigen und muss nicht müßig herumliegen.“
Der Tiger schwieg und so fasst der Jäger nach.
„Außerdem habe ich selbst Hunger. Wenn ich ausgehungert bin gibt es später an mir nicht viel zu fressen.“
„Du wirst dich von mir fressen lassen, wenn ich das einfordere?“
„Ich werde dir etwas anderes anbieten, als Ersatz für mich. Wenn dir das nicht schmeckt, dann kannst du mich fressen.“
Der Tiger zog seine Pranke zurück.
„Gut“, sagte er. „Ich bin heute gut gelaunt und es interessiert mich, ob du Wort halten wirst. Versuchen wir es einmal.“
Der Jäger erhob sich und atmete auf.
„Zuvor schwörst du mir aber, dass du dich an dein Wort hältst und mir keine Falle und keinen Hinterhalt stellst. Wenn du dein Wort brichst, werden alle Tiere des Waldes dich jagen. Du wirst dann nicht mehr lange zu leben haben.“
Als Satthvananda sich umsah, bemerkte er, dass im Kreis um ihn herum andere Tiere standen – der Panther, der Wolf, die Hyäne, das Schwein, die Schlange und andere, die zugehört hatten. In den Bäumen saßen Vögel und die Affen und schauten auf ihn hinab.
„Ich schwöre es, ich halte mich an mein Wort. Du bekommst von mir Ersatz angeboten und erst, wenn es dir nicht als gerechter Ausgleich für mich dient, darfst du mich selber fressen. Nach einem Jahr bin ich aber frei - ewig kann das ja nicht gehen. Außerdem verspreche ich, dir keinen Hinterhalt zu legen und keine Falle zu stellen.“
„Einverstanden!“ sagte der Tiger und ließ den Jäger gehen.
*
Am nächsten Tag erschien der Tiger beim Jäger. Der hatte ihm sein fettestes Schaf aus der Herde geholt. Der Tiger sagte nichts, nahm das Schaf und verschwand. Drei Tage später war er  wieder da. Satthvananda hatte ihm ein Schwein bereitgestellt. Der Tiger ließ eine Woche vergehen, bevor er wieder auftauchte. Der Jäger gab ihm seinen besten Ochsen. Und so ging es fort. Der Tiger ließ je nach Größe des Tieres wenige oder viele Tage vergehen, bevor er wieder auftauchte und stumm die Abmachung einforderte. Dann war das Jahr fast herum. Als der Tiger wieder kam, sagte er:
„Ich habe nun fast alle Tiere deiner Herde gefressen. Die paar Hühner, die du noch hast, die dürren Ziegen und das altersschwache Pferd, das mag ich nicht. Gib mir deine Tochter.“
Der Raubkatze war die hübsche Tochter des Jägers schon länger aufgefallen und es dünkte ihm, dass dieses junge Mädchen an der Schwelle zur Frau eine ganz besonders schmackhafte Speise für ihn abgeben würde. Er hatte sich schon zurückhalten müssen, um ihr nicht aufzulauern und einfach wegzuschleppen.
Satthvananda wurde blass.
„Nein“, sagte er. „Du kannst alle Tiere haben. Ich kaufe auch noch welche hinzu. Wenn du morgen wieder kommst, habe ich das fetteste Schwein, den größten Ochsen oder auch alles beide hier.“
„Deine Tochter“, sagte der Tiger. „Nichts anderes. Morgen bin ich wieder da. Sieh zu, dass sie bereit steht.“ Dann verschwand er.
Als er am nächsten Tag wieder kam, stand Satthvananda alleine da, nackt, nur mit dem Lendenschurz bekleidet.
„Wo ist das Mädchen“, fauchte der Tiger. Doch Satthvananda schüttelte den Kopf.
„Nimm mich. Meine Tochter bekommst du nicht.“
Der Tiger sah sich um.
„Ich habe sie fortgeschickt“, sagte Satthvananda. „Wir haben nie davon gesprochen, dass du etwas einfordern kannst. Abgemacht war, dass ich dir zu Fressen gebe und wenn es deinen Zuspruch nicht findet, du mich nehmen kannst. Sieh her - hier bin ich.“
Der Tiger sah ihn aus seinen großen, schräg stehenden Augen an.
„Ich habe auch versprochen, dir keine Falle zu stellen. Und das habe ich gehalten. Jetzt brich nicht du dein Wort. Alle im Wald haben es gehört und wie sie mir zugeschaut und zugehört haben, ob ich mein Wort halte, so haben sie auch auf dich geschaut.“
Satthvananda wies an den Tiger vorbei und als der sich umwandte, da sah er den Panther, den Wolf, die Hyäne, die Schlange und all die anderen. Er sah aber auch mit seinen scharfen Augen, ganz weit hinten die Tochter des Jägers gehen, die dieser weggeschickt hatte, um in der fernen Stadt sicher zu sein vor der Raubkatze. Weil der Tiger aber die Gier nach ihr schon ganz tief in sich hineingefressen hatte, drehte er sich um und jagte dem Mädchen hinterher. Es war schon weit weg, doch der Tiger war schnell. Er holte auf und hätte sie sicher erreicht, wenn er nicht zuvor eingebrochen und in die Falle des Jägers gestürzt wäre. Da hing er nun zwischen den angespitzten Stäben und sah mit dem Blut sein Leben davon fließen. Bald kam auch Satthvananda und sah zu ihm herab.
„Du hast doch eine Falle gebaut“, stöhnte der Tiger. „Dein Wort ist gebrochen.“
„Diese Falle wäre nicht für dich gewesen, wenn du meiner Tochter nicht gefolgt wärst. Du hast alles von mir haben können, sogar mich selbst. Aber auf meine Tochter oder irgend ein anderes Menschenkind hattest du kein Recht. Solange du dich an die Abmachung hieltest, hielt ich mich auch an meine. Erst als du dich gestern vor lauter Gier aus dieser Vereinbarung gestohlen hattest, habe ich diese Falle errichtet.“
Der Tiger stöhnte laut auf. Er wollte heraus und den Jäger in der Luft zerfetzen – aber es ging nicht.
„Hätte ich dich doch damals zerrissen und gefressen“, brüllte er zu Satthvananda hinauf.
Der antwortete: „Ein Jahr lang hast du mehr von mir gehabt, als damals, als ich unter deiner Pranke lag. Und auch heute wäre diese Falle für dich kein Problem gewesen, wenn du mich genommen hättest. Erst von dem Augenblick an, wo du meiner Tochter folgtest, war diese Falle für dich gedacht.“
Das Leben schwand dem Tiger immer mehr, kaum sah er noch etwas. Aber die letzten Worte des Jägers hörte er noch gut.
„Ich habe deine Stärke bewundert und deine Großzügigkeit. Deshalb ist es mir nicht schwer gefallen, dir mein ganzes Vermögen zu verfüttern. Aber gestern hast du das alles zerstört. Ich werde dich auch nach deinem Tod hier nicht herausholen, sondern dich vermodern lassen und dein Fell und dein Fleisch den Geiern, Hyänen und Würmern überlassen. Du bist es nicht mehr wert, das man dir im Tode noch Ehre erweist.“
Dann drehte er sich um und ging.
Bevor er starb, dachte der Tiger noch: „Für einen Augenblick der Gier verfallen – damit ein ganzes Leben verwirkt!“
Dann riss ihn der Tod in die Vergessenheit.



Horst-Dieter Radke

Donnerstag, 1. März 2012

Manfred Kyber: Der Königsgaukler

Manfred Kyber (1880 - 1933), zeitlebens ein engagierter Tierschützer, schrieb »Der Königsgaukler - ein indisches Märchen« 1921. Seither wird es immer wieder aufgelegt.


Der Pfau

III. (p. 161 a.)

Einstmals gingen ein Pfau und eine Pfauhenne freundschaftlich zusammen, und da sie sich nicht begatten konnten, machte der Pfau die Bewegung des Begattens und ging dreimal um die Henne herum. Da er dabei eine Thräne vergoss, so fing die Henne diese, ehe sie zur Erde fiel, in ihrem Schnabel auf und verschluckte sie.
Einst dachte der Pfau so: „Kein Geschöpf ist so schön wie ich; indem die Menschen meine Federn anstecken, erlangen sie einen Rang, und mein Futter sind giftige Schlangen“. Während er so sich brüstend dort stand, kam plötzlich ein Geier listig herbei und holte ihn. So war die List sehr mächtig.
Der Pfau ist in der Fabel oft das Bild der Eitelkeit und Thorheit, wie in der von Schiefner, Mélanges asiatiques Bd. VIII. S. 101 mitgeteilten Geschichte, aber andererseits auch das Symbol der gesitigen Schönheit, Reinheit und Tugend, wozu man die Erzählung von dem Pfauenkönig Suvarnaprabhasa (Goldglanz) vergleiche.


Fünf indische Fabeln
Aus dem Mongolischen von Hans Conon von der Gabelentz
aus einer unveröffentlichten Handschrift der Königl. Bibliothek zu Berlin mitgeteilt
von B. Laufer
S. 286