Sonntag, 30. Juni 2013

Die Blume im Pfade


Eine Blume stand im Gange,
Die der Zufall dort gepflanzt.
Doch der Gärtner sprach: wie lange
Bleibt hier wol dein Glück verschanzt:
Du wirst bald den Hindernüßen
Weichen, und verderben müßen.

Nein, sprach sie, man läßt mich leben,
Wenn du nur mein Gönner bist.
Und ich will mich schön erheben,
Daß kein Feind mir schädlich ist.
Drum so laß dich auch erweichen,
Und mri meinen Glanz erreichen.

Kind, versetzt der, dich zu retten
Widersprcht des Pfades raum.
Du wirst ohne dem zertretten,
Denn die meisten sehn dich kaum.
Du mußt fort. Mit einem Worte,
Du stehst nicht am rechten Orte.

Mancher Einfall klänge schöne,
Wär er nur recht angebracht.
Dieß bedenkt, ihr Musensöhne,
Wenn ihr schreibt, und Lieder macht.

Pflanzt euch Blumen, schwingt die Worte.
Aber thuts am rechten Orte.



Daniel Wilhelm Triller

Mittwoch, 26. Juni 2013

Ulrike Renk

Ulrike Renk ist eine fabelhafte Autorin. Ganz gleich ob sie historische Romane, Kriminalromane schreibt oder kooperativ mit anderen Autorinnen - es kommt immer etwas empfehlenswertes dabei heraus.


Montag, 24. Juni 2013

Die streitenden Kater

Zwei Kater lebten Tag und Nacht
In stetem Krieg und Streite;
Und war ein schwerer Kampf vollbracht;
Was war des Sieges Beute?
Mit blut'gen Köpfen schlichen sie,
Ermüdet sich von dannen
Und ruhten bis in aller Früh,
Sie neu den Zank begannen.

Der Haushund sah verdrießlich zu,
Ihn ärgerte ihr Lermen.
»So haltet denn doch einmal Ruh!
Was hilfts euch aufzuwärmen,
Tagtäglich euren alten Brei.
Erzählet mir die Sache;
Vielleicht schaff ich noch Rath herbei,
Daß ich's zu Ende mache.«

Die Kater sannen Kreuz und Queer,
Warum sie so sich rauften;

Und sich einander hin und her,
Mit bösen Namen tauften.
Nachdenkend schlich das Pärchen fort,
Doch schon nach wenig Stunden,
Ward kämpfend an demselben Ort,
Vom Haushund es gefunden.

Karoline Stahl
Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder
Nürnberg 1821

Donnerstag, 20. Juni 2013

Von der Maus im Käse


Die Katze fand eine Maus, die sich in einen fetten Käse so tief eingegraben hatte, daß man nichts mehr als nur den Kopf von ihr sehen konnte. Die Katze fragte, was sie hier zu bestellen hätte? Worauf die Maus versetzte: ich habe mich der Welt entschlagen. Die Katze sagte darauf: Ich preise diese deine Philosophie. Ich will deinem Beyspiele nachfolgen, und auf eben diese Art mich auch der Welt entschlagen. Hierauf fraß sie so wohl die Maus als den Käse auf.

Diese Fabel lehret, daß viele, die den Umgang mit andern Leuten scheuen, und unter dem Vorwande, sie hätten sich der Welt entschlagen, sich insgeheim in Wollust und Unmäßigkeit herumwälzen.



Moralische Fabeln
mit beygefügten Erklärungen einer jeden Fabel
Aus dem Dänischen des Herrn Barons von Holberg
übersetzt durch J.A.S.K.D.E.
Leipzig 1752

Sonntag, 16. Juni 2013

Der Fuchs und der Biber

 
Reinike, der einem Biber begegnete, lobte nach Hofmanier dessen sanftwolligen Pelz. Nur Schade! sprach er, daß ein so zartes Thier einen so rauhschuppigen Schwanz führt. Sieh, wie sanft und baumelnd der meinige nachwallt!

Aber hast du mit dem deinigen auch ein Haus gebaut? fragte der Kastor.

Das atlasne Patschchen! Aber wie steht es mit der Arbeit?


Johann Friedrich Ferdinand Schlez

Mittwoch, 12. Juni 2013

Die Eule und der Rabe


Die Eule
Daß Jedermann mich als Minvervens Vogel ehre!

Der Rabe
Und mich, weil ich dem Phöbus angehöre.

Die Eule
Mich wundert es doch ungemein,
Daß Phöbus einen Dieb zu seinem Liebling wählet.

Der Rabe.
Und meinst du beß'rer Art zu seyn?
weiß nicht die ganze Welt, daß auch ihr Eulen stehlet?

Die Eule
Ey nun! Freund Rabe, laß uns nur Gesten,
Daß nicht Verdienste stets zu Lieblingen erhöhn.


Johann Friedrich August Kazner

geb. 1732 in Stuttgart
gest. 1798 in Frankfurt a.M.
als Gräfl. Degenfeldischer Hofrath

Fabeln, Epigrammen Und Erzählungen (1786)

Samstag, 8. Juni 2013

Fabelhafte Hörbücher

Kostenlos können von einigen 42er Autoren Hörbücher heruntergeladen werden, und zwar:

von Monika Detering: Der Sandmann

von Cordula Hamann: Strandspaziergang

von Michael Höfler: Lady Straßenbahn

von Tom Liehr: Sieben Monate

von Cornelia Lotter/Horst-Dieter Radke: Feuer und Eis

von Susanne Oswald: Der große Tag

von Silke Porath: Fred

von Horst-Dieter Radke: Falsch

von Ulrike Renk: Sumach

von Andreas Simon: Urlaub mit Monique

Donnerstag, 6. Juni 2013

An ama Haus sieht ma an geala Basilischka …

An ama Haus henter'm Engel z'Memmenga sieht mã an geala Basilischka mit era fuirothe Zonga. – Dau haut mã amaul d'Magd in Keller na g'schickt und haut g'wahtet und g'wahtet, aber s'ischt koĩ Magd meh rauf komma. Do haut mã eppen andersch na g'schickt, aber s'ischt wieder nemad rauf komma, denn sobald's der Basilischk angucket haut send se g'schtorba. Am End gaut oiner her, nemmt an Schpiegel und laut da Basilischka neĩ gucka, und sobald se der sell drenn g'sẽ a haut, ischt er uf der Schtell verreckt. –

Wenn a Gockeler reacht alt wird, so legt er an Oi, bruatets aus, und us dem wird denn a Basilischk.


Alexander Schöppner
Sagenbuch der Bayer
München 1852/53



Montag, 3. Juni 2013

Die Melusine und der Abt


Wenn ich früher auf dem Weg nach Wertheim oder zurück von Wertheim Richtung Tauberbischofsheim an der Stelle vorbei kam, an der es ab zur Eulschirbenmühle ging, gab es nichts auffälliges zu bemerken. Neuerdings stehen dort am Straßenrand aber immer ein oder zwei Autos oder Radfahrer sind auf dem Weg zu sehen, der zu dem alten, Schloß ähnlichen Gemäuer führt. Ob ich das auf die Veröffentlichung in meinem Buch »Alles fließt in Tauberfranken« zurückführen darf?




Nicht nur  das Gebäude, das leider zu verfallen scheint, ist romantisch, sondern auch die Sage, die damit verknüpft ist:


Der Graf, der auf der Gamburg lebte und seine Tage mit Fischen und Jagen verbrachte, sah ein Mädchen von großer Schönheit an der Mühle vorübergehen. Er erfuhr, dass die Fremde seit kurzem in der Mühle verdingt sei. Als er einmal sah, dass sie sich ihrer Kleider entledigte und in das Wasser der Tauber sprang, wo sie dann als Wasserfrau mit Fischschwanz eine Weile ihr Vergnügen fand, stahl er ihr die Kleider und machte sie so zu seiner Geliebten. Der neidische Müller verband sich mit dem Abt von Bronnbach. Beide machten dem Treiben ein Ende. Die Wasserfrau verschwand für immer und der Graf starb bald aus Gram.

aus: Horst-Dieter Radke
Alles fließt in Tauberfranken
Gmeiner Verlag, 2013