Wertiger
Bildquelle: Wikipedia
Ein Mann war verrückt in seine Katze.
Er fand ihr Miauen so zaubervoll,
So reizend ihr Köpfchen, so zärtlich die Tatze –
Kurz, er war toller als toll!
Was tat er nicht alles an Bittgebeten,
An Tränen und Sprüchen der Zauberkunst,
Bis endlich durch eines Gottes Gunst
Das große Wunder eingetreten:
Als eines Morgens der Narr erwacht,
Da war seine Katze zum Weibe geworden!
Er hat sich keine Minute bedacht,
Er trat mit ihr in Hymens Orden
Und jubelte in den höchsten Akkorden,
Als er sie abends zu Bett gebracht.
Er zeigte sich ebenso übertrieben,
Wie einst in der Freundschaft, jetzt im Lieben.
So sehr war er von ihr entzückt,
Wie noch kein Dichter je geschrieben,
Daß eine Schöne den Liebsten beglückt.
Und während sie ihm innig schmeichelt,
Liebkost er sie und herzt und streichelt
Der jungen Gattin geschmeidigen Leib;
Die ganze Katze ist vergessen,
Und der Beglückte glaubt vermessen,
In allem sei sie ganz ein Weib.
Doch jählings wird der Gatte
In seiner Freude gestört,
Dieweil man an der Matte
Ein Mäuslein knabbern hört.
Das Weib mit einem Satz zum Bett hinaus!
Das Mäuslein fort – doch kehrt es bald zurück –
Sie liegt auf Lauer und sie packt's voll Glück:
Mit diesem Mäuslein war es aus!
Und immer war sie so auf jede Maus erpicht,
Getreu dem Wort: Die Katze läßt das Mausen nicht!
Was nutzte nun die schöne Wandlung der Statur?
Stärker als alles ist die Stimme der Natur!
Der angeborne Trieb verspottet jeden Zwang,
Ihr lehrt ihn nicht mit Sporn noch Peitsche andern Gang.
Spart euch die Müh und laßt es bleiben,
Alte Manieren auszutreiben,
Denn alles wird erfolglos sein;
Werft ihr sie vorne auch zur Tür hinaus,
So schlagen hinten sie ein Fenster ein –
Und sitzen wieder mitten drin im Haus.
Jean de Lafontaine
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