Freitag, 2. Dezember 2011

Der junge Kater


Der Ausbund eines schönen Katers,
Den Muth und alter mündig sprach,
Bekam die Würde seines Vaters,
Und stellte Mäus‘ und Ratten nach.
Er folgte der gemeinen Wiese;
Des Räubers Sohn wird gern ein Dieb,
Das Wölfchen fühlt des Wolfes Trieb,
Ein junger Kater wünscht sich Mäuse.

Es that der junge Herr so keck,
Als wie ein andrer Scanderbeg *),
Sein Hirn war voller Mäus‘ und Ratten,
Die seine Klauen noch nicht hatten.
Wer ihn gesehen haben mag,
Der hätte wirklich sollen schwören,
Dies sey der Mäuse jüngster Tag,
Die sich auf Deutschlands Böden nähren.

Die dunkle Nacht bezog das Land,
Der Thau wusch die bestaubten Fluren,
Als unser Held noch keine Spuren
Des längstgesuchten Wildprets fand,
Das Warten löschte sacht und sachte
Des Katers erstes Feuer aus,
Er sah und hörte keine Maus.
Ein Ding, das ihn verdrüßlich machte.

Er saß und putzte sich das Kinn,
Da schlich ein Wiese bey ihm hin,
Was suchst du? sprach der Kater leise;
Ich suche, war die Antwort, Mäuse,
O weh! Soll ich mein Bischen Brod,
Fieng Murner heimlich an zu heulen,
Mit einem schlimmen Wiesel theilen,
So leid ich endlich selber Noth.

Auf beßre Kundschaft sich zu legen,
Kroch er bis auf das Scheuerdach,
Da flog ihm Jungfer Eul entgegen,
Schatz! fragte er, bist du auch noch wach?
Ja! sprach das schleyrichte Gesichte,
Ich warte hier auf ein Gerichte,
Auf einen guten Abendschmaus,
Auf was denn, Kind? Auf eine Maus.

Die Antwort ärgerte den Kater,
Er stieg herab, sieht auf den Mist,
Da ist ein Ygel, der was frißt,
Viel Glück zur Mahlzeit, alter Vater!
Was schmeckt dir denn alhier so gut?
EIn Mäuschen, sprach er, ist mein Essen,
Ey, daß du müßtest Kohlen fressen,
Gedachte jener voller Wut.

Hier, seufzt‘ er, ist nichts mehr zu naschen,
Fort, auf das Feld! vielleicht kann ich
Noch eine dicke Feldmaus haschen,
Mit dieser Hoffnung stärkt er sich.
Er kam aufs Feld, und traf im Gehen
Den Fuchs voll Zorn und Rachgier an,
Aus Neugier blieb der Kater stehen,
Und sprach: Wer hat dir was gethan?

O! ließ der Fuchs sich fluchend hören,
Ich wußt ein vieles Mäuseloch,
Und dachte diesen Abend noch
Es mit Vergnügen auszustören.
Doch als ich in dem Walde bin,
So geht der Schelm, der Sperber hin,
Und leert, so gehts mir, das Geniste,
Das er davon zerbersten müßte!

So bald der Kater mit Verdrduß
Des Fuchses letzte Worte hörte,
So wandt‘ er traurig Kopf und Fuß,
Damit er stracks nach Hause kehrte.
Ach! sprach er, wenn so viele sind,
die nach dem Mäusefleische streben,
Was hoff ich noch, ich armes Kind,
Von diesem Handwerk auch zu leben?

Indem er also bey sich dachte,
So fieng er eine Maus im Gehn,
Die ihn auf die Gedanken brachte,
Den Mäusen dennoch nachzustehn.
Er that im kurzen Heldenthaten,
Die Praxis macht ihn dick und fett,
Es gieng ihm, unter uns geredt,
Als wie den jungen Advokaten.


Magnus Gottfried Lichtwer


*) Gjergj Kastrioti (1405 - 1468), genannt Skanderbeg, war ein albanischer Fürst, der durch die Verteidigung Albaniens gegen die Osmanen berühmt wurde. Er wird in Albanien als Nationalheld verehrt.

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