O Muse! die du weißt, was Thier’ und Bäume sagen,
Wovon der Vogel singt, was Fisch’ und Wurm beklagen,
Ich bitte, sage mir, wie reden Löw’ und Maus?
Wie drückt sich eine Gans, und wie ein Adler aus?
Wovon schwatzt Schneck’ und Forsch? wie sprechen muntre Pferde?
Was denkt der volle Monde? worüber seufzt die Erde?
Wie redet die Natur? Es läßt ja ungereimt,
Wenn roher Sänger Witz von Wuth der Lämmer träumt,
Die Löwen weinen läßt, die Hasen drohen lehret,
Gewächsen Flügel dreht, und die Natur verkehrt.
Aesopus dichtete natürlich, ohne Zwang,
Aesop, der von der Maus bis an den Löwen sang,
und ohne der Natur was falsches aufzubürden,
Die Thiere reden ließ, wie Thiere reden würden,
Die Wölfe dürsteten nach feiger Lämmer Blut,
Der Hirsch pries sein Geweih, der Uhu seine Brut,
der Panther drohete, der Stier sprach von dem Stalle,
Der Sperling plauderte, der Fuchs belog sie alle.
So sang der Phrygier; nichts, so sich widersprach,
Floß jemals in sein Lied, ihm sang ein Phädrus nach,
und Alle die nach ihm das Fabelreich durchstrichen,
Erhoben ihren Ruhm, so weit sie jenen glichen.
Mein Mund versucht ihr Lied. Wie, wenn es nicht gelingt?
Wer zweifelt, hat gewählt. Es sey gewagt, er singt.
Magnus Gottfried Lichtwer
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