Ein Fabelthier, welches in die Kategorie der Drachen, Lindwürmer, Basilisken, Vogel Ruck und ähnlicher Gebilde der Phantasie gehört. Er wird abgebildet mit dem Körper und Schweif eines Löwen, dem Kopf eines großen Adlers oder Geiers, und an den Füßen mehrentheils Löwen- oder Geierklauen. Gewöhnlich sind auch die Vorderfüße gefiedert, und ein mächtiges Flügelpaar befähigt dieß Ungeheuer, sich augenblicklich in die Luft zu schwingen. Der Greif gehört mehr der romantischen, als der klassischen Fabelwelt an, er spielt oft eine Rolle in den Feenmährchen und Ritterromanen. Wie die der Drachen, so ist in der Maschinerie dieser Erzählungen auch die Funktion der Greise: Burgen, verzauberte Schlösser, Feenpaläste, gefangene Prinzessinnen und tief verborgene Schätze zu bewachen. Auf Greifen reiten Feen und Zauberer, Greife rauben Kinder, Greife tragen Gefangene aus ihren Kerkern durch die Lüfte fort. Vom Mährchen der persischen Sultanide bis zum deutschen Kindermährchen herab spielt der Vogel Greif eine Rolle. Seine Gestalt benutzte eine schöpferische Architektonik vielfach zu Ornamenten, und auf hundertfältige Weise bürgerte er sich als Wappen oder deren Schildhalter, in unzählige Fürstenhäuser und Ritterfamilien ein. Der Greif ist zugleich ein Symbol der Stärke, des Muthes, der Macht, der Klugheit und der Wachsamkeit, lauter Eigenschaften, die ihn als ritterliches Stammzeichen oft erwählen ließen.
Damen Conversations Lexikon
Band 5., 1835, S. 5-6.
Band 5., 1835, S. 5-6.
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