Der kleine Wilhelm hüpfte an einem frühen Sommermorgen in den garten seines Vaters, um von dem Blumenbeet, welches ihm eigen gehörte, einen Strauß von Nelken und Levkojen zu pflücken, der Mutter zum Geschenk. Denn es war ihr Geburtstag.
Als er nun in den Garten kam, erblickte er einen schönen Sommervogel, der hin und her flatterte. Da vergaß der Knabe Mutter und Blumen, und wollte das Vöglein erhaschen.
Anfangs verfolgt’ er es gebückt und mit leisen Schritten, um es unversehens zu ergreifen, aber mit jedem Schritt wuchs seine Begierde, um das Vöglein dünkte ihm schöner an Fittich und Farben, je mehr es sich entfernte. – Endlich ließ er sich nieder und setzte sich auf ein kleines Obstbäumchen, welches seine ersten Blüthen trug. Dieses aber stand neben dem Blumenbeet, das ihm eigen gehörte, und auch das Bäumchen hatte der Vater ihm geschenkt. Darum, und weil es so klein war und eine schöne Krone trug, liebte der Knabe es sehr.
Als er nun das Sommervöglein auf der Blüthe sitzend erblickte, sprang er eilends hinzu und schlug mit seinem Hut so heftig nach dem Sommervogel auf dem Bäumchen, daß alle Blüthen hernieder fielen und zwei Aeste herabgerissen wurden.
Da sah er bestürzt vor sich nieder zu seinen Füßen, wohin die Zweige gefallen waren, und ward gewahr, daß er auch alle seine Hyacinthen, Levkojen und Nelken zertreten hatte, und der Sommervogel lag todt und zerrissen zu seinen Füßen.
Da kehrte Wilhelm weinend und wehklagend nach Hause zurück, ohne Schmetterling und Blumen – ein Bild leidenschaftlicher Sinnlichkeit, die nach Freuden haschte.
Parabeln von
Dr. Friedrich Adolph Krummacher
Essen, 1829
Essen, 1829
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