Die Fabel ist deswegen da, daß sie ergötzen, und zugleich nützen soll. Aus diesem doppelten Endzwecke wollen wir alles, was wir gesagt haben, herleiten. Da die Erzählung nichts in sich enthält, als was alle Menschen wissen und sehen, so wird sie schwerlich ergötzen. Es muß daher in der Fabel etwas Seltnes, Neues und Wunderbares seyn: derowegen will ich etwas von dem Wunderbaren in der Fabel beybringen. Da aber das Wunderbare ohne Wahrscheinlichkeit keinen Reiz bey dem Zuhörer erweckt; so muß ich von der Wahrscheinlichkeit der Fabel handeln; da ferner die Art und Weise wie eine Sache betrieben wird, zu deren Anmuth viel beytragen kann; so muß ich auch etwas von dem Schmucke der Fabel, den sie durch den Vortrag erhält, sagen. Da endlich die Fabel nützlich seyn soll, da sie nämlich entweder die Vortrefflichkeit der Tugend, oder die Schädlichkeit der Laster in einem ihnen angemessenen Bilde vorstellen soll, so müssen einige Anmerkungen über die Uebereinstimmung der Fabel, mit der aus derselben gezogenen Lehre, d.i. des Bildes mit dem Modelle gemacht werden, voerhero aber will ich etwas von dem, was zu den Fabeln Gelegenheit gegeben hat sagen …
Christian Fürchtegott Gellert
aus: Von denen Fabeln und deren Verfassern
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