Samstag, 3. Januar 2009

Der Bauer im Weingarten


Ein Bauer grub einmal in seinem Weingarten,
Verlor dabei die Hack’ und als er nachforschte,
Ob nicht der Dieb sei unter seinen Arbeitern,
So leugnet jeder, und er kann sich nicht helfen,
Führt alle hin zur Stand, und läßt sie dort schwören.
Denn auf dem Lande wohnen nur die einflält’gen
Gottheiten, glaubt man: innerhalb der Ringmauern
Sind die die Alles wissen und die Wahrhaften.
Doch als sie stehend hinterm Thor die Füß’ wuschen
An einem Quell und ihre bündel ablegten,
Da ruft ein Herold: “Tausend Drachmen dem, welcher
Den Räuber, der den Gott bestahl, uns anzeigtet!”
Und er, das hörend, spricht: Ich komm’ umsonst also:
Wie soll der Gott wohl kennen fremde Spitzbuben,
Der seine eigenen Diebe selbst nicht ausfindet,
Und um Belohnung Menschen sucht, die’s anzeigen?

Babrios
Übersetzung: Johann Adam Hartung
Leipzig 1858

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