Samstag, 20. September 2008

Die Schildkröte und die Ratte



Vor dem Sturm eilt sich zu schützen
Manches Thier dem Walde zu;
Nur die Schildkröt' bleibet liegen
Auf dem off'nen Feld in Ruh.

Dies erblickt die Ratte; zeigen
Will sie auch den gleichen Mut,
Daß auch sie der Sturm nicht schrecke
Noch des Regens kühle Flut.

Tückisch grollend lacht der Eitlen
Jene bei sich, denn sie sah
Ueber sich, bald Unheil bringend,
Weiße Hagelwolken nah.

Und nicht lang', so rauscht es; Schlossen
Schlagen nieder, scharf und dick.
In ihr Schild zieht jetzt die Kröte
Sicher Kopf und Bein' zurück.

Doch die arme Ratte findet
Keinen Schirm, der sie hier deckt;
Und in wen'gen Augenblicken
Liegt sie todt dahingestreckt.

Miß nicht, Armer, dich mit Reichen,
In der Not deckt sie ihr Glück.
Nackend sinkst du; jene freuet
Oefters noch dein Mißgeschick.

Friedrich Müller (Maler Müller)
aus: Gedichte. Jena 1873, S. 76-77.

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