(Eine Fabel aus dem 17. Jahrhundert)
Ein durchreisender Musiker ging in Cremona durch die Werkstätten der großen Geigenbauer Amati, Guarneri und Stradivari. Er nahm jede Geige in die Hand und besah sie lange. Viele legte er wieder weg, ohne ihren Ton gehört zu haben. Manche zupfte er an und nur wenigen entlockte er mit dem Bogen ein paar Töne. Zum Schluss wählte er ein Instrument aus der Werkstatt von Nicola Amati.
Auf dem Heimweg fragte sein Begleiter, ob es auch hätte sein können, dass eine der weggelegten Geigen die bessere gewesen wäre. »Instrument und Musiker müssen zusammen passen« antwortete der Violinist. »Aber wenn der Musiker es nicht schafft, dem Instrument das an Klang zu entlocken, was in ihm steckt, dann nützt die beste Geige nichts.«
Nach einigem Nachdenken fügte er noch hinzu: »Der Mensch ist es, der die Entscheidung trifft, welches Instrument er zum Klingen bringen will, genauso wie er für die Musik verantwortlich ist. Die Geige aber sorgt dafür, dass der Instrumentalist seine Gedanken und Vorstellungen angemessen umsetzen kann.«
Horst-Dieter Radke
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