Samstag, 24. Mai 2008

Der Rasenmäher


»Ich halte euch kurz«, lachte der Rasenmäher, als er über den Rasen des Vorgartens geführt wurde. »Kein Halm soll vorlaut zu hoch hinaus wachsen und über die Wiese schauen. Ich schneide euch alle ab und mache euch gleich. Gegen meine Schneiden aus Stahl, frisch geschärft, kommt keiner von euch an.«
Demütig hielten die Gräser still und nahmen es hin, auf ein Einheitsmaß gestutzt zu werden.
Der Rasenmäher war noch nicht im Keller verstaut und zur Untätigkeit verdammt, da begannen sie wieder zu wachsen, so wie es ihnen gerade beliebte. Der eine Halm schneller, der andere langsamer und sie dachten nicht des Tages, an dem der unerbittliche Schnitter wieder seinen Dienst antreten sollte.
»Vom vielen Schleifen werden seine Klingen immer kürzer", sagte ein Halm zu seinem Nachbarn. »Wir aber wachsen ständig nach, egal wie oft er noch über uns hinweg fegt.«
»Feuchtigkeit und Nässe lassen ihn rosten«, gab ein dritter Halm hinzu. »Wir aber bekommen durch die Wassertropfen Kraft.«
»Und richten uns grün und stolz der Sonne entgegen«, lachte ein anderer, »während er im dunklen Keller auf den kurzen Ausflug wartet, uns stutzen zu dürfen.«
»Welch sinnloses Unterfangen« riefen alle Halme im Chor.
Horst-Dieter Radke

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