Lettisches Märchen.
In alten Zeiten säten der liebe Gott und der Teufel einmal gemeinschaftlich Schnittkohl. Nach der Aussaat stellte Gott dem Teufel frei, zu wählen, was er ernten wolle: den unteren oder den oberen Teil. Der Teufel wünschte den oberen. Gut! Gott gab dem Teufel die Blätter, aber er selbst fing an, den Schnittkohl zu essen. Als der Teufel sah, mit welchem Appetit Gott den Schnittkohl verspeiste, bat er, er möge ihn von seinem Teil versuchen lassen. Der Teufel fand den Schnittkohl sehr schmackhaft, und in der Absicht, ihn mit List zu gewinnen, sagte er: »Laß uns auf den Schnittkohl wetten, daß ich imstande bin, dich zu erschrecken.« »Gut – warum nicht!« antwortete der Herr. Der Teufel entfernte sich von dem Feuer, das sie im Walde angezündet hatten, um den Schnittkohl zu braten, und verursachte einen so starken Wind, daß der ganze Wald anfing zu krachen. Nach einiger Zeit kehrte er zum Feuer zurück und sah Gott in aller Ruhe dasitzen. »Hast du dich denn gar nicht erschrocken?« fragte er. – »Weswegen sollte ich mich erschrocken haben? Glaubst du, ich hätte noch keinen Wind gesehen?« Da sagte der Teufel: »Wenn ich mich jetzt auch vor dir nicht erschrecke, so mußt du mir deinen Schnittkohl abgeben, und ich überlasse dir die Blätter.« – Der Herr war einverstanden. Und während der Teufel nach dem Schnittkohl auf das Feld ging, befestigte Gott an einem großen Baum zwei trockene Bretter aus Tannenholz so, daß sie im Winde aneinander schlugen, und ging selbst zum Feuer.
Ein wenig später kam der Teufel zum Feuer und hörte, wie in den Wipfeln der Bäume etwas plarksch, plarksch, tack, tack! mit solcher Gewalt machte, daß der ganze Wald erdröhnte.
Der Teufel erschrak furchtbar und flüchtete von dannen.
Als Gott zum Feuer kam, war kein Teufel mehr da. Ein Schwarzspecht aber erblickte den Teufel, und da er wußte, was ihn so erschreckt hatte, begann er mit seinem Schnabel auf einen trockenen Baum zu hacken und setzte dadurch den Teufel noch einmal in so große Furcht, daß er aus dem Wald herauslief und nicht mehr zurückkam. – Und noch heute behütet der Schwarzspecht auf dieselbe Weise den Wald vor dem Teufel.
Osakr Dähnhardt
Naturgeschichtliche Märchen
Leipzig/Berlin, 1925
Naturgeschichtliche Märchen
Leipzig/Berlin, 1925
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