Donnerstag, 28. März 2013

Von Werwölfen (3)

Bildquelle: Wikipedia

Einst ritt ein armer aber furchtloser Bauernbursch durch den Wald. Hier und da heulten Wölfe. Aus Mutwillen ahmte er ihnen nach und heulte immer lauter und lauter. Aber sein Pferd war alt und kam nur langsam von der Stelle, während die Wölfe durch sein Heulen näher herangelockt wurden. Das ging ihm denn doch etwas über den Spaß. Da erblickte er auf einer kleinen Waldlichtung vor sich ein Feuer, sprang vom Pferde und ging auf dasselbe zu. Dort saß auf einem Scheiterhaufen ein ehrwürdiger, hoher Greis, von Wölfen umgeben. Diese wollten sich gierig auf den Ankömmling stürzen, aber ein Wink des Alten bannte sie an ihren Platz. »Warum narrst du meine Wölfe?« fragte der Alte. »Dieses Mal mag's dir noch hingehen, in Zukunft aber sieh dich vor! Binde jetzt dein Pferd dort an die Tanne, selbst aber leg dich zu mir ans Feuer. Es soll euch beiden kein Leid geschehen!«

Der Bauer that, wie ihm geheißen und schlief bald ein. Am andern Morgen waren der Greis und seine Wölfe verschwunden; an Stelle des Feuers aber lag da ein Haufen Gold und des Burschen altes, schwaches Pferd hatte sich in ein junges, starkes Roß verwandelt


Lettische Märchen
Nacherzählt von Victor von Andrejanoff
Leipzig, 1896

Keine Kommentare: