Sonntag, 3. März 2013

Der Köter auf dem Jahrmarkt


Polnischer Hund in Masuren

Heimlich lief auf den Markt ein Köter um Beute zu machen.
Aber das thörigte Thier, das nie auf dem Markte gewesen,
Meinte, daß man umsonst da heute die Waaren verkaufe,
Und man mit liebreichem Sinn so sämmtliche Hunde ernähre.
Also die Sache bedenkend voll Zuversicht lief er der Stadt zu,
Schlich sich sofort auch unter die Reihen der Krämer und Höker,
Gleichwie ein Gast, der ehrbar ward zum Schmause geladen.
Aber nun gebet nur Acht, wie wunderlich ihm es ergangen.
Kühn erdreistet‘ er sich in Kaufmanns Laden zu steigen,
Denn gar schmackhafte Speisen der Herren da meint‘ er zu finden.
Aber als also verwegen er stieg in die Bud‘ auf dem Markte,
Langte der Kaufmann so mit der Ell‘ ihm über den Rücken,
Daß laut heulend alsbald kopfüber er fiel von der Treppe.
Aber nicht weit von dem Platz saß auf dem Markte ein Schuster
Lederne Waaren nach seiner Gewohnheit bietend den Käufern.
Sieh da, heimlich erfaßte der Hund zwei tüchtige Stiefel,
Denn wo Leder, so meint er, da sei auch Fleisch wohl vorhanden.
Aber auch hier kreigt‘ er mit dem Knüttel so über den Nacken,
Daß er winselnd vor Schmerz hinsprang zur Bude des Bäckers.
Aber wie dort fuhr hier auch ein Holzscheit über das Kreuz ihm,
Daß er hinkend nur kaum von der Stelle vermochte zu gehen.
Aber auch diesmal hatt‘ er genug noch nicht von dem Schmause;
Thöricht erdreistet‘ er sich zu einem Besuch bei dem Fleischer,
Hoffend, daß dort Vielleicht doch ein Darmstück sei zu gewinnen.
So sich verspitzend leckt er sich schon das Maul, das bereite,
Und wie ein Dieb schleicht näher er sich, um die Beute zu fassen.
Aber der Fleischer, der dies sehr wohl von ferne bemerkte,
Hieb, als eben er sprang, ihm bis zur Wurzel den Schwanz ab.
Also gastlich bedacht heim kehrte vom Markte der Köter,
Noch des absonderen Mahls und des Jahrmarkts häufig gedenkend.

Ei Du geschlagener Dieb, gieb Acht, was die Fabel Dich lehret.
Auf dem Markte als Dieb galt, wie Du hörest, der Köter,
Und wie ein thörichter Geck mit Recht ward rings er gezüchtigt.
Aber wer trägt die Schuld? warum nimmt Anderer Hab‘ er?
Freilich der thörichte Hund, wie groß er oder wie klein sei,
Hat nicht Verstand, drum darfst Du ihm nicht anrechnen die Sünde.
Aber der gottlose Mensch, der Andern Schaden bereitet,
Solch ein Räuber, Betrüger, der wahrhaft reif für den Henker,
Solch ein mensch, sag‘ ich, bringt sich durch Sünd‘ an den Galgen.
Aber noch mehr kannst Du aus unserer Fabel entnehmen.
Thöricht wie irgend ein narr lief hier der Hund auf den Marktplatz,
Dreist und verstandlos griff er da zu mit offenem Maule,
Wähnend, daß allüberall für ihn schon Fressen bereit sei.
Ob wohl manch‘ ein Lotterer sich, der Menschenverstand hat,
Ob wohl, sag‘ ich, besser als hier der Hund er sich führet?
Vieles Gesindel ist da, das nicht sich nähret von Arbeit,
Daß umschleichend in Winkeln umher nimmt, was es nur findet.
Geh, Faulenzer, zur Arbeit geht und ernähre Dich redlich.
Und nur, was Du verdientest, das acht‘, als sei es das Deine.



Christian Donalitius
Littauische Dichtungen
nach den Königsberger Handschriften
mit metrischer Uebersetzung, kritischen Anmerkungen und genauem Glossar
herausgegeben von G. H. R. Nesselmann
Königsberg, 1869

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