Mittwoch, 15. Februar 2012

Die Giraffe

Das Thieß mit klafterhohem Fuß,
Sonst Giraff, das die Musen hassen,
Weil man den Namen stümmeln muß,
Um ihn in einen Vers zu passen. –

Dies Monstrum des Parnasses stand
Vor einem Wald, steif wie die Zeder:
So steht ein finstrer Doktorand
Auf seinem staubigten Katheder.

Ein Esel sah es, während er
Mit einem Fuchs auf einer Wiese
Mittagsruhe hielt, von vorneher
und rief: „Sieh, Bruder, welch eine Riese!“

„Laß uns ein Eckchen in den Wald
Auf jenem Steinpfade gehen,“
Versetzt der Fuchs, „so wirst du bald
Den Riesen auch von hinten sehen.“

Gesagt, getan. Das Wunderthier,
Das kurz vorher als Ries’ erschienen,
War itzt ein Zwerg. „Gibt’s Hexen hier?“
Schrie Langohr mit bestürzten Mienen.

„Verbanne, Nachbar, deinen Graus;
Um einen Mann für groß zu achten,
Mußt du zuvor,“ rief Reinhard aus,
„Von allen Seiten ihn betrachten.“


Gottlieb Konrad Pfeffel

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