Sonntag, 21. August 2011

O schandlicher Unfrid!

Hans Baldung (Grien)
Bildquelle: Zeno.org
Sonsten soll es gewiß seyn / daß das Einhorn ein von Natur keusches Thier seye / also / daß sich das Männlein des Weibleins nicht annemme / als in der Brunst / ausser welcher sie nichts miteinander zu thun haben: ja sie führen immerdar Streit / und verfolgen /ja bringen einander um: und indem sie sonst mit anderen Thieren / neben denen sie waiden / mild und freundlich seynd / so wollen sie doch ihres gleichen nicht gedulten: Daher kommt es / daß es gar wenig dieser Thieren gibt / weil sie durch ihre Uneinigkeit immerdar einander selbst zu Grund richten.

Meines Erachtens können deßwegen die unfriedliche Eheleuth füglich mit den Einhörneren verglichen werden: dann auch diese seynd niemahl fridsam und einig / als wann es ihnen um den fleischlichen Wollust zu thun ist: sonsten kommen sie nicht zusammen / das eine gehet da / das andere dort hinaus / und mögen einander kaum anschauen. Ja sie streiten wider einander / als wie die Einhorn / und verstossen sich also / daß offt das Weib blaue Augen / und der Mann ein verkrätztes Gesicht darvon traget / mithin kürtzen sie einander das Leben ab. Man schreibt von dem Einhorn / es habe ein erschröcklich- und grausame Stimm / die keines anderen Thiers Geschrey gleich seye. Auch ein böses Weib und toller Mann / wann sie hefftig mit einander zancken / haben ein grausame Stimm / das ist / sie hencken einander erschröckliche Schimpff- und Schmäh-Wort / ja so ärgerliche Lästerungen an / dergleichen sonst nicht leicht zu hören seynd. O schandlicher Unfrid!


Willibald Kobolt
aus: Die Groß- und Kleine Welt
Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß
zum Lust und Nutzen vorgestellt
Augsburg 1738

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