Mittwoch, 13. Oktober 2010

Die Biene mit der Spinne






( Im Spiegelton des Ehrenboten.)
                     
   'Ne alte Spinn', die thät ein Netzlein weben,
Darin sie Mücken fangen wollt',
Sie bringen um das Leben,
Damit sie sich in stiller Ruh'
Könnt' ohne Müh' ernähren.

    Indem wollt' eine Bien' zur Arbeit fliegen,
Einsammeln süßer Blümlein Saft;
Als sie sah das Betrügen,
Der Spinne schalkhaft böses Netz,
Da tadelt' sie's in Ehren.

    Gar scharf die Spinne sie drum straft';
Die Spinne, die war lasterhaft
Und sprach zu ihr: »Mich lehrte
Natur subtile, zarte Netzlein spinnen,
Darin ich diesen Sommer lang
Mir Nahrung könnt' gewinnen
Ohn' alle Arbeit, Müh' und Angst,
Daß mir's nicht sauer werde.

    In meinem Netz kann ich mich listig ducken,
Und wenn dann fallen in mein Netz
Die Schnaken und die Mucken,
Ohn' alle Müh' ich sie umstrick'
Und sie des Bluts beraube.

    Die Nahrung dein mußt du mit Müh' erraffen,
Du fliegst den ganzen Tag hindurch
Auf Blüten, mußt dann schaffen
Auch gar im Bienenstocke noch;
Das ist doch Unruh', glaube!«

    Die Bien': »Die Ruhe sei verflucht,
Die so mit schnellen Listen sucht
Den Nächsten zu verstricken;
Du nährest dich mit Unschuldiger Blute,
Ich aber mich mit Arbeit nähr'
Und allen komm' zu gute.
Honig bereit' ich und das Wachs;
Arbeit thut mich erquicken.« –

    Allhie wird uns bedeutet durch die Spinnen:
All', die mit Schaden andrer Leut'
Ohn' Arbeit Gut gewinnen,
Wie Wucherer, Finanzer all,
Fürkäufer, falsche Juristen,

    Münzfälscher auch und Possenreißer, Trügener,
Simoneier, Räuber, Dieb',
Falsche Spieler und die Lügener –
Die stellen Strick' und Netze viel
Dem Volk mit schnellen Listen.

    In der Biene seien die erkannt,
Die sich ernähren mit der Hand,
Dem Nächsten auch zu Nutze,
Und in des Angesichtes Schweiß sich nähren,
Wie Gott im Anfang uns gebot;
Das ist mit Gott und Ehren!
»Wer nicht arbeit't, soll essen nicht,«
Spricht Paulus wol mit Trutze.


Hans Sachs

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