Dienstag, 15. Dezember 2009

Die Lichtscheuen - Zweite Fabel



Bildquelle: Wikipedia

Als Herold Kauz des Throns Gesinnung
Dem Oberuhu, der ihn fragt,
Nicht ohne Spötteln vorgeklagt;
Wird hoher Rath der dunklen Innung
Im Thurm des Münsters angesagt:
Wo Er, gegrüßt Erzvater Uhu
Von Vögeln, doch von Menschen Schuhu,
Rauhöhrig, scharf bekrallt, betagt,
Im braunen Amtsgefieder ragt.
Her flattern rings aus allen Zinnen,
Sobald Gefild’ und Städte ruhn,
Die Uhu’ all’ und Uhuinnen,
Nachtrab’ und Kauz und Leichenhuhn,
Vampyre, Fledermäus’ und Eulen,
Geöhrt und ohrlos. Alle heulen
Und krächzen um einander nun,
Und wimmern kläglich, und uhu’n.

Weh, Brüder, weh uns! Was zu thun?
Ruft Altpapa mit demuthsvoller
Amtswürde, gluher Augen Roller!
Noch einmal frag’ ich, was zu thun,
Daß wir auf unserm Stuhle nun
Und wenig ungehudelt ruhn!
Ihr hört’s! mit kaltem Hohn und Spotte
Verwirft er, treu des Tages Gotte,
Der König, als Illuminat,
Ach! unsern wohlgemeinten Rath:
Daß doch des Lichts vorlauter Rotte,
Die immer was zu krähen hat,
Gedämpft der Schnabel sei vom Staat!
Will seine Hoheit denn nicht hören;
(Sehr leid wird’s unserm Herzen thun!)
Doch, bleibt verstockt sein Herz ei nun!
So wird, nach Sanftmuth, Ernst ihn lehren,
Vom krummen Abweg’ umzukehren!
Uns heilg zwar ist Königsmacht;
Doch heiliger die alte Nacht,
Die wir nach altem Brauch in hehren
Nachtceremonien verehren!
Geißmelker du, und du Vampyr,
Scharfmäulig beid’, und krallenklauig,
Und leis’ im Angriff: euch ja schau’ ich
Geübt und regsam; euch vertrau’ ich
Das große Wohl des Ganzen hier.
Wie fromm und eiferig im Dunkeln
Euch dort die grellen Blicke funkeln!
O wackres Paar, gesegnet mir!
Beichtväterlich ja wisset ihr,
Fest angeklammert mit Begier,
Im Dunkeln Milch und Blut zu saugen;
Daß bald der hohle Kopf verdummt,
Daß dumpf das Ohr stets summt und brummt,
Und blöd’ in Dämmerung die Augen
Blendwerk und Spuk zu sehen taugen.
Wohlan! euch sendet der Altar!
Seid kühn mit Vorsicht! Nehmet wahr
Der Zeit, der Umständ’ und des Ortes;
Und schafft Vollendung meines Wortes.
Ihr kennt den jähen Felsensitz,
Wo, nie vom Sturmwind’ angebrauset,
Vom Schnee und Regen nie umsauset,
Vertraut dem Donner und dem Blitz,
Im Goldgedüft der König hauset:
Weis’ und gerecht durch Meer und Land,
Nur leider uns nicht fromm, genannt.
So oft  auf ätherhellem Hügel
Des Wolkenbergs die raschen Flügel
Zu süßer Ruh’ er abgespannt;
Kein Kämmerling, kein Leidtrabant,
Bewahrt dann ängstlich Schloß und Riegel:
zugänglich ruht er, unbewacht,
Und sonder Argwohn, Tag und Nacht,
Getrost der Volkslieb’ und der Macht.
Nun merkt! Wann sorglos einst, wie immer,
Er, von den Seinen nur umwohnt,
Bei unseres Gestirnes Flimmer,
In öder Nachtstill’ ohne Mond,
Nach schwerem Kampf und Reichsgeschäfte
Einschlummert endlich, tief und fest;
Anschleichend haucht ihm derbe Pest,
Und sänftigt die kecken Säfte
Von Trunkenheit der Sonnenkräfte,
Durch Aderlaß: bis er betäubt
Mit uns an Nacht und Mystik gläubt,
Für alten Vorwitz selbst sich stäupt,
Aufklärer mordet und vertreibt,
Und gram dem Licht, andächtig finster,
Uns folgsam, herrscht vom hohen Münster!

Beifallgemurmel, halb noch stumm,
Schwoll mehr und mehr, und wogt’ herum
Im nächtlichen Concilium.
Laut nun, wie ehmals die Beamten
Des Römerbischofs in Trident
Uns Ketzer alle mit gesammten
Dreihundert Kehlen laut verdammten
Zum Höllenpfuhl, der ewig brennt;
So schreit der Chorausruf, und schallet,
Daß ringsumher die Münster hallet:

Ja! ja! wie all’ antworten: Ja!
Dem Sonnenfreund’ Anathema!



Johann Heinrich Voss

Keine Kommentare: