Sonntag, 1. November 2009

Dieses Fabelthier existierte schon in der Einbildung der Alten …


Basilisk, Basiliske. Dieses thier existierte schon in der Einbildung der Alten; nur mit dem unterschied, daß es nach ihnen mehr einer Schlange glich. Der Name kommt von dem griechischen basilikos her, welches einen König bedeutet. Man nannte das Thier darum so, weil es auf dem Kopf einen weißen kronenähnlichen hatte. Der Leib des Basilisken ist, der alten Fabel nach, 1 Fuß lang, schlangenförmig, bewegte sich aber nicht so wie eine Schlange; sondern ging aufrecht. Er war das Schrecken aller anderen Schlangen, und nicht nur sein Biß, sondern sogar sein Blick tödtete; Sein Haus war gleichsam pestilenzialisch. Thiere, die ihn nur von fern einsogen, starben augenblicklich; ja selbst Bäume und Pflanzen gingen davon aus. Sein Gift war das fürchterlichste in der ganzen Natur; selbst Steine barsten von einander, wenn der Basilisk sie besprühte. Alles, was er mit seinem Körper berührte, brachte Menschen und Thieren den Tod, wenn sie es antasteten. Er nährte sich vom Aase, und lebte in Afrika.

So schrecklich der Basilisk war, so gab es doch Thiere, vor denen er sich fürchten mußte: den Hahn und das Wiesel. Ersterer war im Stande, das Ungeheuer durch sein krähen und durch seine Ausdünstungen zu tödten; dieses biß es zu Tode.

Ganz anders sieht der Basilisk aus, der noch jetzt in den Köpfen abergläubiger unwissender Menschen spukt. Mit dem Haushahn hat er die meiste Aehnlichkeit; sein Kopf, sein Hals, sein Rumpf, die Beine sind Theile eines Hahns, eben so ist die Stellung ganz der von einem Hahne gleich; aber die Flügel sind Drachenflügel und der Schwanz ein Drachenschwanz. Federn hat das Thier gar nicht. Seine Entstehung ist folgende: in dem neunten Lebensjahre legte der Haushahn in einen abgelegenen finstern Winkel - am liebsten im Keller - ein Ei; aus diesem entsteht entweder von selbst oder durch Bebrütung einer Kröte der oben beschriebene Basilisk. Die neuere Fabel läßt es diesem Thiere ebenfalls nicht an Furchtbarkeit fehlen. Sie stattet es reichlich mit Gift aus, und schreibt auch schon dem Blicke eine tödtende Kraft zu; ja, der Sage nach ist der neuere Basilisk noch ärger, als der alte; denn er hat keinen Feind, und weder der Mensch, noch sonst ein Geschöpf vermag ihn zu tödten. Nur er selbst kann dies oder vielmehr sein Bild, wenn er es erblickt. Ein vorgehaltener Spiegel, der ihn dies sehen läßt, tödtet ihn auf der Stelle.

Wer den unwissenden, verwahrlosten Haufen unter den Menschen näher kennt, und sich nur einigermaßen um seinen Aberglauben bekümmert, dem kann es nicht entgehen, daß das Angeführte für unbezweifelt wahr von demselben gehalten wird. Diese alberne Einbildung wird noch dadurch genährt, daß auch Beispiele von dem Schaden erzählt werden, den der Basilisk angerichtet haben soll. So vermißte z.B. im Jahr 1587 zu Warschau eine Mutter 2 ihrer Kinder. Die darnach ausgeschickte Magd fand sie auf den untersten Stufen des Kellers in einem alten verfallenen Hause; da sie auf ihr Rufen nicht hörten, so war sie der Meinung, daß sie eingeschlafen wären, und trat hinzu, um sie aufzuwecken; aber sie fiel selbst todt nieder. Das Ausbleiben der Magd vermehrte die Besorgniß der Mutter noch mehr, und trieb sie an, die Verlornen selbst zu suchen. Sie kam auch an den Keller, sah die beiden Kinder nebst der Magd todt liegen, erhub ein klägliches Geschrei, und lockte viel Volk dadurch herbei. Die Todten wurden herausgezogen und besichtigt. Ihre Leiber waren aufgeschwollen, die Augen ragten weit hervor, die Zunge war dick und der ganze Körper schwarzbraun, und Niemand wußte die Ursach dieses schrecklichen Vorfalls anzugeben. Endlich kam die Sache vor den Leibarzt des Königs; dieser, ein erfahrner Mann, vermuthete sogleich, daß ein Basilisk im Keller steckte, und rieth, um ihn zu tödten, einen Menschen mit Spiegeln behangen in den Keller zu schicken. Ein zum Tode verurtheilter Missethäter übernahm das Wagstück, mit Leder gepanzert und mit Spiegeln über und über behangen, in der einen Hand eine Fackel, in der andern eine lange Kneipzange gieng er in den Keller, und fand nach langem Suchen das Ungeheuer in einem Winkel sitzen. Es war schrecklich anzusehn; aber nicht im Stande, dem Manne zu schaden; denn in dem Augenblick, als es seine Augen auf die Spiegel richtete, und sein Bild darin gewahrte, war es todt. Triumphierend zog es aus dem Keller, maß und besah es genau, und nach dieser Beschreibung war es ganz der Basilisk, wie wir vorher geschildert haben. …

aus: Neues Natur- und Kunstlexicon …
Zum bequemen Gebrauch insonderheit auch für Ungelehrte
und für gebildete Frauenzimmer

ausgearbeitet von G.H.E. Lippold
und herausgegeben von C.Ph. Funke
Weimar 1801

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