Sonntag, 14. Dezember 2008

Fehler der fürstlichen Erziehung

Ein König ließ den Erben seines Throns
Mit großem Fleiß erziehn. Man sucht’ in den Provinzen
Zum Unterrichte seines Sohns
Die größten Meister auf: man unterwies den Prinzen
In allen Künsten, die zur Zier
Und Nutzen dieneten: Er lernte zeichnen, tanzen
Palläste bauen, Städt’ umschanzen,
Blies seine Flöte, spielte fein Klavier;
Man hieß ihn in den Alterthümern unterweisen,
Und mehr noch (denn er sollte reisen)
Die besten Lehrer in vier Sprachen an.
Zwey Reitende befragten einen alten Mann
An seinem Hofe: Sagt uns, aber ungeheuchelt,
Was Euer Prinz am besten kann.
Gut reiten, sprach er; denn kein Pferd hat ihm geschmeichelt.

Karl Wilhelm Ramler

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