Freitag, 24. Februar 2017

Der Greis und der Tod

Ein alter armer Mann trug eine schwere Last von Reisigbündeln aus dem Walde nach seiner Hütte zu, um sich im nahen Winter damit gegen die Kälte zu sichern.
Der Weg war lang, seine Kraft gering. Müde und verdrußvoll warf er endlich seine Bürde nieder und seufzte: »Komm doch, o Tod, und befreie mich von einem so mühseligen Leben!«
Kaum hatte er seinen Wunsch ausgesprochen, so stand der Tod wirklich vor ihm und fragte noch einmal, was er verlange.
»O ich bitte, lieber Herr«, antwortete der erschrockene Greis, »ich bitte, habe die Güte und hebe mir diese Reisigbündel wieder auf den Rücken!«

Unnatürlich und ungerecht ist der Wunsch nach dem Tode. Denn zehnmal gegen einmal würden wir unzufrieden sein, wenn er erhört würde. Tief in unserem Herzen wohnt die Liebe zum Leben; eine starke Aufforderung für jeden, sein Leben solange als möglich zu erhalten.

Ertrage jegliche Beschwerden
Des Lebens standhaft als ein Christ,
Und wirke Gutes hier auf Erden,
Solange dir’s noch möglich ist.

Moritz Erdmann Engels (1767 - 1836)
Moral in Fabeln, Leipzig 1796
gefunden in: Aus alten Kinderbüchern, Fabel auf Fabel
Berlin 1989

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