Sonntag, 31. Juli 2011

Die Fabel

Die Göttin in dem Reich der Sitten,
Die Fabel hatte viel erlitten,
Die Wahrheit kam mit ihr in Noth,
Aesop und Phaedrus waren todt;
Ihr Tempel wurde ganz entehret,
Und durch den Lügenschwarm zerstöret.
Sie saß verlassen und betrübt,
So sehr sie auch die Menschen liebt,
So heftig ward sie nun gehasset,
Auf ihren Dienst nicht mehr gepasset,
Ihr Reich blieb lange Zeit verworrn,
Bis Gellert und von Hagedorn,
Zwey große, zwey lehrreiche Dichter,
Als unpartheysche Schiedesrichter,
Der Göttin ihre Unschuld sehn,
Und sie zu vorger Macht erhöhn;
Nun herrscht sie wieder auf der Erden
Und wird stets angebethet werden.

Neue Fabeln und Erzehlungen in gebundener Schreibart
Hamburg, verlegts Conrad König, 1749

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