Ein Krokodil hatte Appetit auf zartes Antilopenfleisch. Doch jede Wasserstelle, die sonst von anderen Tieren genutzt wurde, blieb leer, sobald das Krokodil dort im flachen Wasser lag. Oder die Tiere sprangen bereits bei der ersten seiner Bewegungen davon.
»Was ist nur los, dass kaum ein Tier zur Tränke kommt und die wenigen immer bereit sind, davon zu laufen?« klagte es dem Vogel, der die Würmer aus seinem Panzer zupfte.
»Alle sehen, dass du hier liegst und wartest und keiner möchte deine Beute sein« gab dieser zur Antwort.
Das Krokodil überlegte eine Weile, suchte sich dann eine andere Stelle. Hier legte es sich jedoch nicht auf die Lauer, sondern offen an das Ufer, als sei es satt und müde. Bald trauten sich die ersten kleinen Tiere heran, um zu trinken und irgendwann kamen auch die Antilopen - zögerlich und bereit, sofort davon zu springen, sollte das Krokodil sich regen. Es tat aber nichts, blinzelte nur ab und an mit den Augen und lies es zu, das die Sonne langsam jede Spur von Wasser aus seinem Panzer brannte. Die Antilopen wurden immer sicherer und bald beachtete niemand mehr das Krokodil. Dieses wartete aber nur auf das richtige Exemplar. Als dann eine stolze, prächtige und gut genährte Antilope überheblich zur Tränke schritt und den Kopf senkte, um zu trinken, schoss das Krokodil vor und schnappte zu.
Zufrieden lag es dann am Ufer und fraß die Antilope auf.
»Du hast deine Lektion gelernt!« sagte der Vogel, der auf dem Rücken des Krokodils auf und ab stolzierte.
»Interesse zeigen, ist die ungünstigste Art, auf sich aufmerksam zu machen«, sagte das Krokodil, »zumindest dann, wenn man etwas haben will, dass keiner freiwillig zu geben bereit ist.«
Horst-Dieter Radke
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