Dienstag, 20. Oktober 2009

Geschichte vom Brahmanen, der um eine Ziege geprellt wurde


Eines Tages ging der Brahmane Mitrascharman, der von Mitra Gesegnete, dessen Aufgabe es war, das heilige Opferfeuer zu pflegen, in ein Dorf um ein Tier zu holen. Er sprach einen Mann an, der für häufige Opfer bekannt war und sagte: »Bald ist Neumond. Gib mir ein Tier und ich werde ein Opfer für dich vollziehen«. Daraufhin gab der Mann ihm eine fette Ziege. Der Brahmane erkannte sie als tauglich an, nahm sie auf die Schulter und machte sich auf den Heimweg.

Unterwegs begegneten ihm drei Schelme, die vom Hunger schon ausgezehrt waren. Sie sahen das fette Tier und beschlossen, es dem Brahmanen durch List abzunehmen. Einer von Ihnen trat dem Brahmanen aus einem Seitenweg entgegen und sprach: »He, du Feueropferer. Du willst einen Hund opfern? Dieses Tier gilt als unrein.« Der Brahmane antwortete verärgert: »Bist du blind, dass du eine Ziege mit einem Hund verwechselst?« »Schon gut«, sagte der Mann. »Du musst dich nicht gleich aufregen«.

Der Brahmane war nur ein kleines Stück weiter gegangen, als ihm der zweite Schelm begegnete. »Ach du armer Mann, ich bedauere dich. Sicher ist dir das tote Kind liebe gewesen, dass du es auf die Schulter nimmst und dich dadurch verunreinigst. Fünf Kühe oder schweres Fasten wird nötig sein, dich wieder zu reinigen«. »Bist du nicht ganz gescheit«, rief der Brahmane verärgert. »Hältst du jetzt schon eine Ziege für ein totes Kind?« »Nicht böse werden«, sagte der Mann. »Ich habe es aus Unwissenheit gesagt«.

Ein paar Schritte weiter begegnete dem Brahmanen der Dritte. »Das gehört sich aber nicht, dass du einen Esel auf den Schultern trägst« sagte dieser zum Brahmanen. »Wirf ihn ab, du verunreinigst dich schwer.« Da glaubte der Brahmane, das Tier sei ein böser Geist. Er warf die Ziege voller Angst zu Boden und lief, dass er nach Hause kam. Nun kamen die drei Schelme herbei, nahmen das Tier und stillten damit ihren Hunger.

Kluge, scharfsinnige und verschlagene Menschen täuschen die Hohen und Mächtigen wie die Ziegendiebe den Brahmanen.

Fabel aus dem Pantschatantra
Nacherzählt von Horst-Dieter Radke

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