Freitag, 7. November 2008

Ulrich Boner

Gern möchte ich dem Leser dieser Fabeln recht viel von dem Verfasser derselben erzählen; aber, leider, vermag ich nur wenig zu sagen, und selbst dieses Wenige beruht größtentheils auf Vermuthung. Wüssten wir doch selbst seinen Nahmen nicht, wenn er sich nicht in der Vorrede und Schlussrede uns genannt hätt. Dass Bonerius ungefähr in der Mitte des dreyzehnten Jahrhunderts schrieb, zeigt seine Sprache und die ganze Art seines Vortrages. Die Gründe, aus denen Lessing beweisen wollte, dass er in die zweyte Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts zu setzen sey, werden schwerlich jemand überzeugen, der nicht den Renner mit eben der Vorliebe ansieht, mit welcher Lessing ihn ansah. Man hat zwar auch aus den Sprüchen, die bey mehreren Gelegenheiten in diesen Fabeln vorkommen, und die wir jetzt im Frigedank lesen, schließen wollen, dass Bonerius in eine spätere Zeit gehöre als jene Sammlung. Richtiger wäre wohl der umgekehrte Schluss: Bonerius führt oft dergleichen Sprüchwörter an, die seit undenklicher Zeit im Munde des Volkes waren, aber er nennt niemahls einen Frigedank, der doch schon am Ende des dreyzehnten Jahrhunderts in solchem Ansehen stand, dass Hugo von Trimperg nie versäumte dem Denkspruche den hochverehrten Nahmen beyzusetzen; wahrscheinlich also wurde diese Sammlung est nach Bonerius Zeiten gemacht.

Was das Vaterland unseres Dichters betrifft, so scheint dieses die nordwestliche Schweiz gewesen zu seyn. Darauf deuten nicht nur verschiedene Eigenheiten seiner Sprache hin, so wie auch einzelne Wörter z.B. ziger, flu, u.m. sondern auch der Nahme seines Gönners Johan von Rinkenberg, …
Die Kenntniss der Lateinischen Sprache, durch welche Bonerius in den Stand gesetzt wurde seinen Stoff aus den Lateinischen Fabeldichtern zu nehmen, so wie auch die Lateinische Endung, die er seinem Nahmen gab, machen es höchstwahrscheinlich, dass er ein Geistlicher war; und die auf eigene Erfahrung hinweisende Bekanntschaft mit dem Klosterleben, so wie die Empfehlung desselben, lassen vermuthen, dass er ein Klostergeistlicher war, woher es denn auch kommt, dass er in der Schlussrede, so wie sie in ein paar Handschriften lautet, ein Ritter Gottes genannt wird. …
G.F.Benecke, 1816
Vorbemerkung zur Herausgabe der Fabeln von Bonerius
unter dem Titel: Der Edelstein

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