Es
war einmal ein Steinmetz, der bekam vom König den Auftrag ihm die perfekteste
Frauenstatue zu meißeln, die es je unter der Sonne gegeben hatte. Der König
wusste natürlich, wem er diesen Auftrag in die Hände gelegt hatte. Es war einer
seiner begabtesten Bildhauer im ganzen Reich.
Der
Bildhauer machte sich also an die Arbeit und kam recht gut voran. Einzig und
allein im Gesicht der Schönen begann er sich gewissermaßen fest zu klopfen.
Wenn er mit halb geschlossenen Augen zurücktrat und blinzelte, mochte das
Antlitz schon durchgehen aber wenn er genauer hinschaute, bemerkte er dass der
Mund noch ein wenig zu schief, die Nase zu kurz und die Augenbrauen zu tief
angesetzt waren. Er konnte dieses Kunstwerk keinesfalls dem König anbieten.
Darüber geriet er in eine derartige Wut das er mit seinem Meißel und seinem
Hammer auf sein Werk losging, um es restlos zu zerstören. In diesem Moment
sprach die Statue zu ihm: »Lass gut sein Meister, lass mich unversehrt, stell
mich einfach in die hinterste Ecke deiner Werkstatt und fange noch einmal von
vorne an.« Es fiel dem Steinmetz sehr schwer, denn er mochte die Fehler an
seiner Arbeit nicht wieder und wieder sehen, aber er befolgte den Rat der
Steinfrau, bezwang seine Wut und tat wie ihm die Statue geheißen.
In
den folgenden Wochen meißelte der Steinmetz insgesamt noch elf weitere
Frauenbilder, von denen der jeweils, sobald er einen unwiderruflichen Makel
bemerkte, seine Arbeit unterbrach, aufhörte und die misslungene Steinfrau zu
der ersten in die Ecke schob.
Schließlich
und endlich gelang es ihm, mit der zwölften Statue die Frauenskulptur in Stein
zu meißeln, der es an nichts mehr fehlte und die in seinen Augen keinen Makel
mehr aufwies. Erleichtert, stolz und zufrieden benachrichtigte er den König, er
könne nun sein Werk besehen und es abholen lassen. Der König kam
höchstpersönlich in die Werkstatt und sah, als der Steinmetz das Tuch vom
letzten Kunstwerk herunterzog, die anderen elf Versuche im hinteren Teil der
Werkstatt.
»Was
ist das?« Fragte der König den Steinmetz, ohne einen genaueren Blick auf die
zwölfte zu werfen
»Das
sind meine verfehlten Versuche.« Der Steinmetz schämte sich ein wenig dafür,
dass jemand anderes all die Stümpereien entdeckt hatte.
»Stell
sie hier auf!«, befahl der König »Ich möchte sie alle einmal sehen.«
Nachdem
der Steinmetz die Reihe der weißen Frauen in seiner Werkstatt aufgestellt
hatte, schritt der König das Spalier der Stein gemeißelten Schönen auf und ab,
begutachtete diese, berührte jene und blieb hier und da stehen, um nachdenklich
den Kopf zu wippen.
»Ich
kann mich nicht entscheiden, lieber Steinmetz, die Auswahl ist zu groß und mal
gefällt mir das Gesicht der einen mehr, und ein andermal die grazile Haltung
der Anderen, jetzt wiederum zieht mich das Lächeln jener dort an.«
Der
Steinmetz zuckte mit den Schultern und wartete ab, was sein Auftraggeber
entscheiden würde. Da fuhr König fort: »Du bist der Meister, lieber
Steinmetz, und darum frage ich dich: welche von den Frauen hier ist für dich
die Schönste?«
Schon
wollte der Steinmetz auf die Zwölfte zeigen, da fiel ihm auf, dass ihn der
König nicht nach der makellosesten, sondern nach der schönsten Frau seiner
Sammlung gefragt hatte. Sein Blick fiel auf das Lächeln, dass ihn damals so in
Wut versetzt hatte, weil es ein wenig zu schief geraten schien und er
antwortete ohne zu Zögern: »Die Erste.«
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