Mittwoch, 17. Februar 2010

Emma und Eginhardt


An Betty

Geh, Betty, schließ die Halle zu
Und gieb die Harfe mir;
Von einem Fräulein, schön wie Du
Sing ich ein Liedchen Dir.

Der große Carl, ein deutscher Held,
Des Fräuleins Vater war;
Die Sachsen schlug er aus dem Feld
Und manche Maurenschaar.

Doch Emma war so furchtbar nicht,
Mild, heiter, minnereich;
Ein Rosenbeet war ihr Gesicht,
Ihr Aug dem Himmel gleich.

Die schlaue Mutter hielt sie hart;
Kein Ritter kam ihr nah,
Bis auf den Junker Eginhard,
Den Schreiber des Papa.

Ein hübscher Mann aus altem Stamm,
Pechschwarz von Aug und Haar,
Flink wie ein Hirsch, sanft wie ein Lamm,
Und keck wie Roland war.

Den ganzen Winter gab er ihr
Im Schreiben Unterricht;
Allein sie sah nicht aufs Papier,
Nur stets ihm ins Gesicht.

Ein weiches Herz führt Mädchen weit
Im siebenzehnten Jahr.
Herr Eginhard in kurzer Zeit
Der Hahn im Korbe war.

Einst hatte Carl das Zipperlein
Und zog mit seinem Weib,
Der schönen Hildegard, allein
Im Schach zum Zeitvertreib.

Im Vorsaal bebt des Schreibers Knie
Vor Nachtfrost. Immer wach
Führt Satan ihn, man weiß nicht wie
In Emmas Schlafgemach.

Lag sie zu Bett? Die Chronika
Sagt nichts davon. Genug,
Der arme Junker wärmt sich da,
Bis Glocke zwölfe schlug.

Die Mette schallt. Mit einem Kuß
Entwich er. Doch, o weh!
Im Hof, durch den er waten muß,
Lag nun ein tiefer Schnee.

Was seh ich, schrie er, großer Gott!
Läßt sich mein Fußtritt sehn,
So sterb ich heut auf dem Schaffot,
Du mußt ins Kloster gehn.

Stumm, wie die Schmerzensmutter, lief
Das Fräulein durchs Gemach;
Auf einmal stand sie still und rief:
Nur mir, Geliebter, nach.

Auf ihren Schultern trägt sie ihn,
Beym klaren Mondenschein,
Durch den beschneyten Schloßhof hin,
Bis in sein Kämmerlein.

Doch ach, ihr Heilgen alle, steht
Dem armen Paare bey!
Carl sieht aus seinem Kabinet
Die seltne Reuterey.

Voll Wuth griff er nach seinem Schwerdt,
Schoß wie ein Pfeil heran:
Sterbt beyde, rief er – Nein, bekehrt
Euch erst! – Holla, Caplan!

Der Priester hörts; mit schwerem Kopf,
Das Chorhemd in die Queer,
Mit ofnem Wams und Hosenknopf
Flog er bestürzt daher.

Er sah – Nur Hogarth malt das Bild –
Das Fräulein auf den Knien,
Carl mit dem Schwerdt, der Knapp als Schild
Gelehnet auf sie hin.

Was soll ich? lallt Probst Engelbert
Mit einer Hand im Haar.
Ey nun, ruft Carl und senkt sein Schwerdt,
Vermähle dieses Paar.
Gottlieb Konrad Pfeffel
aus: Poetische Versuche,
Erster bis Dritter Theil, Band 1, S. 56-60.
Tübingen 1802

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