Foto: Jeremias Radke
Das Podagra und eine Spinne,
Geführt von ihrem Eigensinne,
Entschlossen sich, die Welt zu sehn
Und Abenteuern nachzugehn.
Sie trafen unterwegs sich an,
Und grüßten sich, da sie sich sahn,
So leicht, so artig und galant,
Als hätten sie sich längst gekannt.
Ich dächte (sprach das Podagra),
Wir setzten nach dem Dorfe da
Zusammen unsre Reise fort.
Es scheint ein wohlgelegner Ort,
Und sind Madam so müd' als ich,
So wird uns Beiden, sicherlich,
Jedwede Herberg, groß und klein,
Auf diese Nacht willkommen seyn.
Der Spinne war das eben recht.
Sie kamen an das Dorf. Geschwächt,
Hinfällig, kraftlos und halb lahm
Erlag das Podagra und nahm,
So bald als möglich, voll Begier,
Beim ersten Bauer das Quartier.
Die Spinne hielt sich für gescheuter
Und nahm den Weg noch etwas weiter,
Bis zu des Edelmannes Haus;
Hier wählt' sie einen Saal sich aus,
In welchem man mit großem Prachte
Zu einem Gastmahl Anstalt machte.
Sogleich nahm sie nach ihrem Witz
Von einem Fensterrahm Besitz;
Hub an, mit emsigem Bestreben,
Viel ihrer Fäden anzukleben.
Doch eh' ihr Netz noch fertig war,
Nimmt eine Stubenmagd es wahr,
Die mit dem Besen d'rüber fährt
Und unbarmherzig es zerstört.
Die Spinne hub von Neuem an
Zu weben, wie sie erst gethan;
Da ward der Saal voll Herr'n und Damen,
Mit denen viel Lakaien kamen.
Ein naseweiser Bursche sah
Der Spinne Netz, und rief: Sieh' da,
Was machst du hier? und stieß sogleich
Den Hut quer durch ihr Fadenreich.
Die Spinne ließ sich's nicht verdrießen,
Und heftete mit muntern Füßen
Ihr hangend halbzerstörtes Nest
Zum dritten Mal am Fenster fest.
Da trat ein junges Fräulein her,
Das sah am Fenster ungefähr
Die Spinne hangen, und schrie laut:
Ach, Herr Baron, mir graut, mir graut!
Und wies mit Schrecken auf die Spinne.
Kaum ward der Herr Baron sie inne,
So zog er wie ein Held den Degen,
Fing an im Netz herumzufegen,
So daß mit Noth die Spinn' entkam
Und aus dem Saal den Abschied nahm.
Dem Podagra ging's fast auch so,
Es ward der Herberg wenig froh.
Nachdem es lange g'nug gesessen,
Sprach es: Ich möcht' ein wenig essen!
Der Bauer brachte trocken Brod,
Zum Trunk dazu kalt Wasser bot;
Dies waren nach so langen Reisen
Für's Podagra sehr schlechte Speisen.
Es aß nicht viel, trank kaum dazu,
Und sprach betrübt: Bringt mich zur Ruh'!
Da wies der Bauer ihm zum Bette
Gar eine harte Lagerstätte,
Worauf ein wenig Stroh nur lag.
Hier lag es kläglich, bis der Tag
Im Osten an zu grauen fing,
Und seufzend es von dannen ging.
Es traf die Spinne wieder an,
Die auch kein Auge zugethan;
Und alle Beide klagten sich,
Wie elend und wie jämmerlich
Sie beiderseits die vor'ge Nacht
In Furcht und Sorgen zugebracht;
Ich seh' wohl, wo der Knoten sitzt,
(Sprach d'rauf das Podagra). Dir nützt
Zum Aufenthalte kein Palast;
So wie ich niemals Ruh' und Rast
Bei schlechten Bauern finden kann.
D'rum geh' du zu dem armen Mann,
Und ich will deinen Junker sehn,
So soll das Ding wohl besser gehn.
Dies waren Beide wohl zufrieden,
Und Beide gingen nun verschieden
Den Weg, so wie der Abend kam.
Das Podagra, voll Hoffnung, nahm
Zum Schloß des Junkers seinen Gang.
Und mit welch freudigem Empfang
Ward es von ihm nicht aufgenommen!
Kaum sah er es gehinket kommen,
So nahm er's höflich bei der Hand,
Führt's in sein Zimmer; d'rinnen stand
Ein Sopha mit viel weichen Kissen,
Davon legt' er ihm drei zu Füßen,
Und sprach: Ihr Gnaden fordern dreist,
Was Ihrem Gaum willkommen heißt.
D'rauf rief er seine Diener her;
Da ward der Tisch nicht einmal leer
Von Thee, und Kaffee, und Orsade,
Von Chokolad' und Limonade,
Alsdann ward von der Schüsseln Menge
Die große Tafel fast zu enge;
Da kam französisches Ragout,
Weit umher dampfend nach haut Gout,
Schön Rostbeef, nach der Briten Art,
Und Austern mit und ohne Bart;
Dann kamen Austern am Kapaun,
Dann Austern, schön gebraten, braun;
Dann wieder Austern in Pasteten,
Dann Fisch mit Austern, bis zum Tödten;
Und schöne Braten, vom Fasan,
Bis auf den feisten Ortolan.
Kurz, Alles, was die Schmausewelt
Für ächte Leckerbissen hält,
War so im Ueberflusse da,
Als wär' es in Hammonia.
Die Weine? ja, wer kann die zählen?
Gewiß! hier durfte keiner fehlen,
Und das Probiren riß nicht ab,
Vom Franzwein bis zum Vin de Cap,
So daß das Podagra sogar
Satt bis zum höchsten Ekel war.
Die Spinne trat zum armen Mann
Indeß auch ihre Wallfahrt an.
Sie fand bei ihm ein freies Leben,
Fing an zu haspeln und zu weben
Nach Herzenslust mit Füßen, Händen
An Thüren, Fenstern, Balken, Wänden,
Und machte sich manch schönes Netz
Nach ihres Eigensinns Gesetz;
Rund mit viel Strahlen krumm und schief,
Gleich, ungleich, seltsam, flach und tief.
So herrschte sie im ganzen Haus,
Und Niemand stört' und trieb sie aus.
Als d'rauf die beiden Wanderer
Nach kurzer Zeit von ungefähr
Sich wieder sahn, da rühmten beide,
Mit welcher wahren Lust und Freude
Ihr Leben nun versüßet sey.
Jedwedes blieb der Herberg treu;
Vergnügen war auf beiden Seiten.
Und so wohnt noch zu unsern Zeiten
Die Spinne bei den Armen gern,
Das Podagra bei großen Herr'n.
Geführt von ihrem Eigensinne,
Entschlossen sich, die Welt zu sehn
Und Abenteuern nachzugehn.
Sie trafen unterwegs sich an,
Und grüßten sich, da sie sich sahn,
So leicht, so artig und galant,
Als hätten sie sich längst gekannt.
Ich dächte (sprach das Podagra),
Wir setzten nach dem Dorfe da
Zusammen unsre Reise fort.
Es scheint ein wohlgelegner Ort,
Und sind Madam so müd' als ich,
So wird uns Beiden, sicherlich,
Jedwede Herberg, groß und klein,
Auf diese Nacht willkommen seyn.
Der Spinne war das eben recht.
Sie kamen an das Dorf. Geschwächt,
Hinfällig, kraftlos und halb lahm
Erlag das Podagra und nahm,
So bald als möglich, voll Begier,
Beim ersten Bauer das Quartier.
Die Spinne hielt sich für gescheuter
Und nahm den Weg noch etwas weiter,
Bis zu des Edelmannes Haus;
Hier wählt' sie einen Saal sich aus,
In welchem man mit großem Prachte
Zu einem Gastmahl Anstalt machte.
Sogleich nahm sie nach ihrem Witz
Von einem Fensterrahm Besitz;
Hub an, mit emsigem Bestreben,
Viel ihrer Fäden anzukleben.
Doch eh' ihr Netz noch fertig war,
Nimmt eine Stubenmagd es wahr,
Die mit dem Besen d'rüber fährt
Und unbarmherzig es zerstört.
Die Spinne hub von Neuem an
Zu weben, wie sie erst gethan;
Da ward der Saal voll Herr'n und Damen,
Mit denen viel Lakaien kamen.
Ein naseweiser Bursche sah
Der Spinne Netz, und rief: Sieh' da,
Was machst du hier? und stieß sogleich
Den Hut quer durch ihr Fadenreich.
Die Spinne ließ sich's nicht verdrießen,
Und heftete mit muntern Füßen
Ihr hangend halbzerstörtes Nest
Zum dritten Mal am Fenster fest.
Da trat ein junges Fräulein her,
Das sah am Fenster ungefähr
Die Spinne hangen, und schrie laut:
Ach, Herr Baron, mir graut, mir graut!
Und wies mit Schrecken auf die Spinne.
Kaum ward der Herr Baron sie inne,
So zog er wie ein Held den Degen,
Fing an im Netz herumzufegen,
So daß mit Noth die Spinn' entkam
Und aus dem Saal den Abschied nahm.
Dem Podagra ging's fast auch so,
Es ward der Herberg wenig froh.
Nachdem es lange g'nug gesessen,
Sprach es: Ich möcht' ein wenig essen!
Der Bauer brachte trocken Brod,
Zum Trunk dazu kalt Wasser bot;
Dies waren nach so langen Reisen
Für's Podagra sehr schlechte Speisen.
Es aß nicht viel, trank kaum dazu,
Und sprach betrübt: Bringt mich zur Ruh'!
Da wies der Bauer ihm zum Bette
Gar eine harte Lagerstätte,
Worauf ein wenig Stroh nur lag.
Hier lag es kläglich, bis der Tag
Im Osten an zu grauen fing,
Und seufzend es von dannen ging.
Es traf die Spinne wieder an,
Die auch kein Auge zugethan;
Und alle Beide klagten sich,
Wie elend und wie jämmerlich
Sie beiderseits die vor'ge Nacht
In Furcht und Sorgen zugebracht;
Ich seh' wohl, wo der Knoten sitzt,
(Sprach d'rauf das Podagra). Dir nützt
Zum Aufenthalte kein Palast;
So wie ich niemals Ruh' und Rast
Bei schlechten Bauern finden kann.
D'rum geh' du zu dem armen Mann,
Und ich will deinen Junker sehn,
So soll das Ding wohl besser gehn.
Dies waren Beide wohl zufrieden,
Und Beide gingen nun verschieden
Den Weg, so wie der Abend kam.
Das Podagra, voll Hoffnung, nahm
Zum Schloß des Junkers seinen Gang.
Und mit welch freudigem Empfang
Ward es von ihm nicht aufgenommen!
Kaum sah er es gehinket kommen,
So nahm er's höflich bei der Hand,
Führt's in sein Zimmer; d'rinnen stand
Ein Sopha mit viel weichen Kissen,
Davon legt' er ihm drei zu Füßen,
Und sprach: Ihr Gnaden fordern dreist,
Was Ihrem Gaum willkommen heißt.
D'rauf rief er seine Diener her;
Da ward der Tisch nicht einmal leer
Von Thee, und Kaffee, und Orsade,
Von Chokolad' und Limonade,
Alsdann ward von der Schüsseln Menge
Die große Tafel fast zu enge;
Da kam französisches Ragout,
Weit umher dampfend nach haut Gout,
Schön Rostbeef, nach der Briten Art,
Und Austern mit und ohne Bart;
Dann kamen Austern am Kapaun,
Dann Austern, schön gebraten, braun;
Dann wieder Austern in Pasteten,
Dann Fisch mit Austern, bis zum Tödten;
Und schöne Braten, vom Fasan,
Bis auf den feisten Ortolan.
Kurz, Alles, was die Schmausewelt
Für ächte Leckerbissen hält,
War so im Ueberflusse da,
Als wär' es in Hammonia.
Die Weine? ja, wer kann die zählen?
Gewiß! hier durfte keiner fehlen,
Und das Probiren riß nicht ab,
Vom Franzwein bis zum Vin de Cap,
So daß das Podagra sogar
Satt bis zum höchsten Ekel war.
Die Spinne trat zum armen Mann
Indeß auch ihre Wallfahrt an.
Sie fand bei ihm ein freies Leben,
Fing an zu haspeln und zu weben
Nach Herzenslust mit Füßen, Händen
An Thüren, Fenstern, Balken, Wänden,
Und machte sich manch schönes Netz
Nach ihres Eigensinns Gesetz;
Rund mit viel Strahlen krumm und schief,
Gleich, ungleich, seltsam, flach und tief.
So herrschte sie im ganzen Haus,
Und Niemand stört' und trieb sie aus.
Als d'rauf die beiden Wanderer
Nach kurzer Zeit von ungefähr
Sich wieder sahn, da rühmten beide,
Mit welcher wahren Lust und Freude
Ihr Leben nun versüßet sey.
Jedwedes blieb der Herberg treu;
Vergnügen war auf beiden Seiten.
Und so wohnt noch zu unsern Zeiten
Die Spinne bei den Armen gern,
Das Podagra bei großen Herr'n.
Just Friedrich Wilhelm Zachariä
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