Johann Jakob Breitinger
Mittwoch, 16. Juli 2008
Alegorische und Esopische Art der Fabel
Die erste und vornehmste Quelle desselben, die von dem Wahrscheinlichen am weitesten entfernet ist, findet sich bey derjenigen Art der Erdichtung, da der Poet die Natur nicht bloß in dem, was würcklich ist, und nach den eingeführten Gesetzen in einer andern Einrichtung der Welt möglich wäre, nachahmet, sondern durch die Kraft seiner Phantasie gantz neue Wesen erschaffet, und entweder solche Dinge, die keine Wesen sind, als würckliche Personen aufführet, denselben Leib und Seele mittheilet, und sie geschickt machet, allerley vernünftige Handlungen und Meinungen anzunehmen; oder diejenigen Wesen, die schon würcklich sind, zu der Würde einer höhern Natur erhebet, indem er den leblosen Geschöpfen Meinungen und Gedanken leihet, wenn er Wäldern, Flüssen, Landschaften und allen andern unbelebten Wesen Gedancken und Reden zuschreibet; oder den Thieren mehr Witz und Vernunft lehnet, als sie in ihrer Sphär haben, und ihnen auch die articulierte Stimme, die ihnen mangelt, mittheilet. Aus jenem ist die allegorische, aus diesem die esopische Art der Fabel entstanden.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen