Montag, 5. Februar 2018

Friedrich von Hagedorn

Friedrich von Hagedorn
Zur 200. Wiederkehr seines Todestages
Von Ludwig Hübsch
Innsbrucker Nachrichten vom 22.4.1908

Wenige Namen sind so schnell dem Gedächtnis des deutschen Volkes entschwunden, wie der dieses liebenswürdigen Dichters. Und doch war Friedrich von Hagedorn einer der beliebtesten und geehrtesten Menschen seiner Zeit; ein Mann, der bei seinen Zeitgenossen Gellert, Bodmer, Rabener und anderen in hohem Ansehen stand; von dem selbst ein Lessing beeinflußt wurde. J.JH. Eschenburg, der geistreiche und um die deutsche Literatur hochverdiente Professor am Carolineum zu Braunschweig (1743 bis 1820) erzählt, »daß Hagedorn alle Freitage bei seinem Freunde Carpfer in Hamburg zu Tische war, wo sich dann die geistvollsten Männer, Reisende – worunter auch Personen fürstlichen Standes – einfanden, um seine Gesellschaft zu genießen.« Und heute? Wer kennt, wer liest heute Hagedorn? Auf diese Frage könnten nur wenige bejahend antworten. Außer dem humorvollen Gedichte »Johann der Seifensieder«, das in allen Schullesebücher zu finden ist, wird heute wohl so ziemlich alles, auch seine vortrefflichen fabeln, vergessen sein. Das ist schade, wirklich schade, denn Hagedorns Lieder, seine Fabeldichtungen und eine kleine Anzahl seiner Epigramme besitzen heute noch Lebendigkeit und Wert.
Manche seiner Gedichte sind von einer zartfröhlichen Leichtigkeit, Schalkhaftigkeit und einer, von natürlicher Anmut geleiteten Grazie und Naivität, die an Anakreon erinnert. So »Der Tag der Freude«:

Umkränzt mit Rosen eure Scheitel
(Noch stehen euch die Rosen gut)
Und nennet kein Vergnügen eitel,
Dem Wein und Liebe Vorschub tut.
Was kann das Totenreich gestatten?
Nein! Lebend muß man fröhlich sein!
Dort herzen wir nur kalte Schatten:
Dort trinkt man Wasser und nicht Wein.

Echt anakreontische Fröhlichkeit atmen auch »Der Mai«, »Doris und der Wein«, »Phryne«, »Der verliebte Bauer«, »Der ordentliche Hausstand« und viele andere Lieder. Mit Hagedorn beginnt eigentlich wieder eine neue Blütezeit des deutschen Liedes, das durch die zweite schlesische Dichterschule und besonders durch ihre Hauptvertreter Hoffmannswaldau und Lohenstein geradezu barbarisch behandelt worden war.
Einige seiner wenigen Lieder sind oftmals vertont worden und werden heute noch gesungen. Ich nenne nur: »Die Vögel«, »Die Empfindung des Frühlings«, »An die Freude«, »Der Kuckuck« und »Der Morgen«. Besonders das letztgenannte Lied ist entzückend und formvollendet. Hier die erste Strophe:

Uns lockt die Morgenröte
In Busch und Wald,
Wo schon der Hirten Flöte
Ins Land erschallt.
Die Lerche steigt und schwirret,
Von Lust erregt;
Die Taube lacht und girret,
Die Wachtel schlägt.

Hagedorns Epigramme sind treffend, witzig und scharf, einfach und geistreich. Der größte Teil derselben hat allerdings für uns kein Interesse mehr, doch sind manche wegen ihrer Eigenart noch heute lesenswert. Einige mögen hier Platz finden:

Langweiliger Besuch macht Zeit und Zimmer enger:
O Himmel, schütze mich vor jedem Müßiggänger
*
Unzählig ist der Schmeichler Haufen,
Die jeden Großen überlaufen,
Solang er sich erhält.
Doch gleitet er von seinen Höhen,
So kann er bald sich einsam sehen
Das ist der Lauf der Welt.
*
Wer übertrifft den, der sich mild erzeigt?
Der jehne Freund, der es zugleich verschweigt.

Auch Hagedorns Oden und seine moralischen Erzählungen sind für uns belanglos und zudem auch ohne jede Originalität. Dagegen wäre eine größere Kenntnis und Verbreitung seiner Fabeln sehr wünschenswert. Einige derselben sind wirklich vortrefflich; man kann sie getrost den besten Fabeln Lessings an die Seite stellen. Genannt seien »Der Fuchs und der Bock«, »Der Hase und viele Freunde«, »Die Räuber und der Esel« und

»Die Eulen«.
Der Uhu, der Kauz und zwo Eulen
Beklagten erbärmlich ihr Leid:
Wir singen; doch heißt es wir heulen:
So grausam belügt uns der Neid.
Wir hören der Nachtigall Proben,
Und weichen an Stimme nicht ihr.
Wir selber, wir müssen uns loben.
Es lobt uns ja keiner, als wir.

Dann noch:

»Die Natter«
Als einst der Löwe Hochzeit machte,
Kroch zu der neuen Königin
Auch eine kleine Natter hin,
Dir zum Geschenk die schönste Rose brachte.
Doch jene weist sie ab und spricht
Ich nehme Rosen an; allein von Nattern nicht.
*

Über Hagedorns Lebensgang ist nicht viel zu berichten. Er wurde am 23. April 1708 in Hamburg geboren, wo sein Vater Konferenzrat war. Hier besuchte er das damals vorzüglich geleitete Hamburgische Gymnasium, studierte die alten, aber auch die neueren und ausländischen Dichter und gewann besonders die letztern lieb. Von 1726 bis 1729 studierte er in Jena die Rechte und ging sodann nach London, wo er bei dem dänischen gesandten Privatsekretär wurde. Im Sommer 1731 kehrte er über Brabant und Holland nach Hamburg zurück und erhielt zwei Jahre später eine Anstellung bei dem sogenannten English Court, einer alten Handelsgesellschaft. Da diese Stelle mit einem anständigen Gehalt verbunden war, so heiratete er bald darauf; die Ehe blieb kinderlos. Hagedorn widmete seine freie Zeit fortan der Poesie, der Freundschaft und dem geselligen Umgange. Am 28. Oktober 1754 starb er noch nicht ganz 47 Jahre alt, an der Wassersucht.
Möge der morgige Gedenktag nicht nur seinen Namen, sondern auch seine Werke dem deutschen Volke wieder in Erinnerung bringe; sie verdienen es!

Da hat der Autor (oder der Redakteur) einen ordentlichen Bock geschossen. Es handelte sich zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses sonst lesenswerten Artikels keineswegs um Hagedorns zweihundertsten Todes-, sondern Geburtstags.

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