Nach
einer alten Volkserzählung.
Es war einmal ein betagter, schon ein wenig räudig
gewordener Rabe. Er hieß Jakob. Jakob lebte ganz allein in Mitten des großen
Waldes, weshalb all die anderen Vögel ihn für reichlich seltsam befanden.
Besonders die jungen Elstern flogen oft den weiten Weg zu seinem Nest – aus
sicherer Entfernung lachten sie über ihn, nannten ihn Hinkebein oder
Schlimmeres. Jakob tobte, schimpfte und flatterte, doch die frechen Elstern
waren zu schnell für den armen, alten Vogel.
So ging es Jahr für Jahr, doch eines Tages, da rief Jakob:
„Krahkrah, ich hab feinstes Silber und Geschmeide für euch!“ Die jungen Elstern
horchten auf. „Was willst du dafür?“, krähten sie höhnisch zurück. „Schenk uns
ein silbernes Messer, dann lassen wir dich einen Tag in Frieden. Schenk uns ein
funkelndes Gedeck, dann bleiben wir eine Woche fern.“ „Aber im Gegenteil!“,
krächzte der Rabe. „Ich schenke euch ein glänzendes Messer, auf dass ihr jeden
Tag kommt. Ihr kommt nun täglich und verspottet mich. Zum Dank erhaltet ihr
heute ein Messer, morgen ein Armband und übermorgen wieder ein Messer.“
Die Elstern lachten sehr über den dummen Narr. Von nun an
kamen sie täglich, beschimpften ihren Gönner und erhielten ihre Gabe. Doch nach
kaum einer Woche, da erklärte Jakob: „Ihr wisst, ich bin nur ein armer, alter
Vogel, drum bitte ich euch: Kommt weiter täglich, beschimpft mich kräftig, doch
ich kann euch nun nur noch jeden zweiten Tag ein Geschenk geben.“ Die Elstern
sahen einander aus ärgerlich glänzenden Augen an: „Den weiten Weg für alle zwei
Tage ein Teelöffelchen? Aber nur weil du es bist.“
Sehr mürrisch kamen sie nun und als der Rabe nach kaum einer
weiteren Woche gestand: „Ich habe nichts mehr, dass ich euch schenken könnte.
Doch ich bitte euch, kommt weiter.“, da sagten die Elstern zu einander: „Das
kann er doch nun wirklich nicht verlangen! Den langen Weg, die Lungenkraft, die
Zeit, die uns das täglich kostet und wofür? Nur für den zum Gefallen? Also,
nein, das geht nun wirklich nicht.“ Und zu Jakob sagten sie: „Nein, das tut uns
leid. Melde dich einfach bei uns, wenn du wieder zahlen kannst, dann kommen wir
gern und beschimpfen dich. Bis dahin, Lebewohl.“
Und so lebte der alte Rabe von jenem Tag an ungestört.
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