Einstmals sagte ein König zu seinem Minister: »Minister, welches ist das Vorzüglichere, List oder Weisheit?« Der Minister antwortete: »Die List«. Da wurde der König sehr zornig und sprach: »Warum ziehst du die List der Weisheit vor?« Damit liess er den Minister hinauswerfen. Als der König einen Monat lang gezürnt hatte, rief er seinen Elefantenwärter und sprach: »Hahu, höre meine Worte. Nachdem du einem wütenden Elefanten tausend Mass Branntwein gegeben hast, so lass ihn auf jenen Minister los«. Er liess den Minister kommen und gab ihm reichlich zu essen und zu trinken. Nachdem er gegangen war, begaben sich der König und die übrigen aus dem Palast, der König und die Königin sahen von einem Versteck aus zu. Als der Minister sich hinsetzte und pisste, wurde der Elefant losgelassen. Als dieser wütende Elefant angerannt kam, dachte der Minister: »Weil ich keine Waffen bei mir habe, bin ich verloren«. Er packte einen in der Nähe befindlichen Hund beim Schwanze, und nachdem er ihn dreimal gegen den Elefanten geschwungen hatte, bis der Hund den Elefanten in den Rüssel, so dass dieser erschrocken floh. Als dies der König sah, lachte er sehr, liess den Minister kommen und sprach: »Deine Rede war richtig; die List ist das Vorzüglichere!« Er machte ihn auf der Stelle zum Fürsten, wies ihm einen jährlichen Gehalt von 9000 Stücken Silber an und entliess ihn.
O König, dies ist die Macht der List. Es bedeutet, dass du durch unsere Macht König bist. Wir halten Religion und Sitte durch allerelei List; weil der König etwas Unpassendes befohlen, hat, deshalb waren wir ungehorsam.
Fünf indische Fabeln
Aus dem Mongolischen von Hans Conon von der Gabelentz
Aus einer unveröffentlichten Handschrift der Königl. Bibliothek zu Berlin
mitgeteilt von B. Laufer
Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
Bd. 52 (1898)
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