Horst-Dieter Radke
Mittwoch, 12. August 2015
Fabel von der kleinen Porzellantänzerin
Die kleine Porzellanfigur, das Mädchen als Tänzerin auf den Zehenspitzen des linken Beins stehend, das andere nach hinten weggestreckt, die beiden Arme seitwärts haltend um das Gleichgewicht auszubalancieren, war es leid, Tag für Tag so auszuharren und darauf zu warten, das erstaunte Ausrufe dafür sorgten, sie aus dem Schrank zu nehmen, herumzureichen und unter bewundernden Bemerkungen von Hand zu Hand zu reichen bis das letzte Paar sie dann sorgsam zurück in den Schrank stellte und die Glastür schloss, rief endlich die Fee der kleinen Wunder und bat, als diese erschien und ihr einen Wunsch zusprach, aus der Starre erlöst zu werden, was die Fee ihr auch umgehend erfüllte, wobei die Porzellantänzerin um ein Haar gestürzt wäre, denn ohne die Steifheit des Materials war es nicht so leicht, das Gleichgewicht zu halten, so dass sie zunächst ein wenig umher ging, um sich an die neue Situation zu gewöhnen, was ihr bald gut gelang, sodass sie erneut probierte, auf den Zehen des linken Beines stehend die Tanzhaltung einzunehmen, was auch nach einer Weile ging, nur nie für lange, weshalb sie am Morgen traurig und resigniert neben dem Sockel saß, auf dem sie früher so prächtig gestanden hatte und der Diener, der in den Raum trat um ihn für die Gesellschaft herzurichten rief, das sie kaputt sei und sofort ersetzt werden müsse, wonach gleich ein junger Kerl gerannt kam, sie griff, in einen Korb warf, eine neue Porzellantänzerin hinstellte und die alte aus dem Raum trug, zuletzt auf den Müll warf, weil ein trauriges Mädchen niemand gerne sehen möchte und womit bewiesen wäre, das Wünsche gut überlegt und nicht schnell ausgesprochen sein sollten.
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