Donnerstag, 30. Mai 2013

Der Fuchs und die Vogeljungen auf dem Baum


In Benfeys Pantschatantra … wird eine Fabel angeführt, die man im Mittelalter in lateinischer, arabischer, hebräischer, spanischer und deutscher Sprache las. Sie steht in dem bei Johann Capua hinzugefügten letzten (17.) Kapitel und hat folgenden Inhalt:

Der Fuchs weiß eine Taube, die auf einem Baume sitzt, so in Schrecken zu setzen, daß sie ihm, um ihr Leben zu retten, ihre Jungen herabwirft. Als der Fuchs weg ist, kommt der Spatz zu ihr und sagt: sie hätte antworten sollen, er solle sein möglichstes tun, und wenn er auf den Baum klettere, so würde sie mit ihnen auf einen andern Baum fliegen. Als der Fuchs wiederkommt, gibt sie ihm diese Antwort. Der Fuchs erwidert: Ich will deine Jungen schonen, wenn du mir sagst, wer dir dies geraten. Sie sagt: Der Sperling. Darauf geht der Fuchs zu diesem und fragt ihn: Wenn der Wind dich trifft, wohin legst du dann deinen Kopf? Der Spatz antwortet: Unter die linke Seite. Darauf fragt der Fuchs: Wenn er dich vorn trifft, wohin dann? Der Sperling: An mein Hinterteil. Der Fuchs: Wenn er dich aber von allen Seiten trifft, wohin dann: Unter meine Flügel. Darauf fragt der Fuchs: Wieso er das könne? Er könne es nicht glauben; wenn er es aber könne, so habe er seinesgleichen noch nicht gesehen. Der Sperling mach te es ihm nun vor. Da packte ihn der Fuchs und sagt: »Du konntest der Taube raten, aber nicht dir selbst!« und frißt ihn auf.

Diese Fabel ist literarisch interessant, da sie Hans Sachs in einem Meisterlied (Götze Bd. 5, Nr. 630) bearbeitete und eine Parallele dazu im Reineke Fuchs steht, wo der Fuchs den Hahn beredet mit geschlossenen Augen zu singen und ihn so fangt; doch wird er hier später befreit.

Interessant ist auch die Volksüberlieferung, die eine Anzahl nahe verwandter Sagen kennt.

Dähnhardt: Natursagen

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