Den Bär begleitete ein Luchs als Jagdgefährte –
ein Bündnis, das sich bald aufs trefflichste bewährte.
Sie fingen eine Geiß. Der Bär zerlegt in Eile
die schöne Beute in zwei nicht ganz gleiche Teile:
hier lag ein Hinterbein und dort der Rumpf der Ziege.
»Schlecht abgemessen,« sprach der Bär; »doch diesmal kriege
ich wohl den größeren Teil, weil größer ist mein Magen,
das nächstemal darfst du zerteilen, was wir jagen.«
Der Luchs begnügte sich verdrossen mit dem Beine
und dachte: warte nur, ich kriege schon das Meine!
Am nächsten Tage fiel dem Paar ein Reh zur Beute.
Der Luchs zerlegte es – das war sein Recht für heute.
Wie tags zuvor der Bär, so riß er eine Keule
vom frischen Wildbret los und sprach: »Hier sind zwei Teile,
ich hab‘ mich gestern mit dem kleineren beschieden…«
»Schön,« sprach der Bär, »ich bin’s auch ferner so zufrieden« –
und fraß den Riesenteil. Der Luchs hat unterdessen
verdutzt und sprachlos auf dem Hintern dagesessen.
Was wundert sich der Luchs? – er hat wohl nie gesehen,
wie bei den Menschen oft Gesetz und Recht entstehen.
Theodor Etzel
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