Einst wohnte in Kalyânakataka
Ein Jäger mit Namen Bhairava, *)
Der war, aus Verlangen nach Fleisch, mit dem Bogen
Ein Reh zu erlegen einst ausgezogen
Bis tief in die Mitte vom Vindhyawald,; **)
Dort tödtet er auch einen Rehbock bald,
Ergreift ihn und kehret damit heim –
Da stösst er stracks auf ein grimmig Schwein.
Drauf legt er das Reh auf die Erde fein
Und erlegt mit dem Bogen das wilde Schwein,
Dessen grauses Gebrüll wie der Donner gällt,
während die Hauer es ihm in die Weichen stellt‘,
Dass, wie ein geschlagner Baum er zur Erde fällt;
Denn:
Wasser, Feuer, Gift und Waffen, Hunger, Durst, der Berge Stürzen,
Jedes kann des Menschen Leben unverhofft auf ewig kürzen!
Da kam der Schakal Dhîrgarâvo, ***)
Nach Nahrung spähend, hier vorbei
Und fand die Todthen: Reh, Jäger, Eber, alle drei.
Da dacht‘ er bei sich selber: „Bravo!“
Da ist ja heut‘ ein gar reiches Mahl
Mir zugefallen. So geht’s manchmal:
Wie sich ungeahnte herbe Schläge über uns entfalten,
Also auch das Glück! Ich meine, ‚s ist des Schicksals seltsam Walten.
„Sei es drum! Die Leckerbissen
Sollen drei Monat wohl und mehr
Mir zur Nahrung dienen müssen.
Die erste Mahlzeit, die Hunger bannende –
Denn all‘ die schönen, süssen Stücke
Leg‘ ich für später mir zurücke –
Sei aber die Sehne, die Bogen spannende!“
Wie gesagt, so auch gethan.
Doch kaum nagt er die Sehne an,
Da wird vom logeschnellten Bogen
Der Dhîrgarâvo gerade ins Herz
Getroffen, und stirbt unter grossem Schmerz!
Darum sagte ich:
Sparen soll man wohl, doch spare man mit Maassen, wohl erwogen.
Sieh‘, der sparbefliss’ne Schakal starb getroffen von dem Bogen.
Ausgewählte Fabeln des Hitopade´sa
in metrischer Uebersetzung von August Boltz
Offenbach a.M., 1868
in metrischer Uebersetzung von August Boltz
Offenbach a.M., 1868
*) Der Schreckliche.
**) Die Vindhya-Gebirsgzüge trenne das Gangesland vom südlichen Indien.
***) Langschrei
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