Dienstag, 17. April 2012

Die Hasen und die Frösche

Frühling in Paris - 2012

Es wird erzählt, daß die Hasen einst Rats pflogen und dabei zu dem Entschlusse gelangten, sie wollten ihren Wald verlassen und in ein anderes Land ziehen, dieweil sie in unaufhörlicher Sorge lebten. Hunde und Menschen nämlich hielten sie in Furcht, und dieser Zustand schien ihnen nicht mehr erträglich. Ein alter weiser Hase meinte zwar, es sei töricht, die Heimat, in der sie von Kindesbeinen an gelebt, und die Freundschaft im Stiche zu lassen, aber das andere Volk wollte ihm keinen Glauben schenken, und so machten sich denn allesamt auf den Weg.

Es geschah aber, daß sie an einen Teich gelangten, an dessen schlammigten Ufern sich eine Froschversammlung niedergelassen hatte. Als die Frösche die Hasenschar nahen sahen, erschraken sie dergestalt, daß sie alle mit einem Plumpser ins Wasser sprangen. Dieses bemerkte der alte weise Hase, er rief seine Gefährten zusammen und sprach: »Da schaut her, ihr Herren! Erst durch die Frösche, die Furcht vor uns haben, müssen wir innewerden, daß wir eine große Torheit begehen, wenn wir unsern heimatlichen Wald verlassen, um anderswo größere Sicherheit zu suchen. Nie im Leben werden wir ein Land finden, wo wir nichts zu fürchten brauchen. Kehren wir also um, wir werden gut daran tun.« Und alsbald machten die Hasen kehrt und wanderten in ihr Land zurück.

Diese Fabel möge die, so ihre Heimat verlassen wollen, lehren, daß sie nirgends eine Gegend finden werden, wo es keine Sorge und keine Mühe gibt.


mittelalterliche Fabel aus:
Ernst Tegethoff, Französische Volksmärchen.
Jena, 1923

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