Montag, 4. April 2011

Ein Mädchen will hoch hinaus

Bildquelle: Wikipedia

Alt-indische Parabel

Ein schönes, aber etwas einfältiges Mädchen aus der Candalakaste, der niedrigsten und verachtetsten aller Kasten hatte sich vorgenommen, den mächtigsten Freier auf Erden zu heiraten. Eines Tages erblickte sie den König, der an der Spitze seines Gefolges durch die Stadt zog. Sie folgte ihm mit dem Vorsatz, ihn zu heiraten. Da stieg der König von seinem Elefanten und warf sich vor einem Büßer in den Staub. »Der Büßer steht höher als der König«, dachte das Mädchen überrascht und folgte nun dem Büßer auf Schritt und Tritt. Als der Priester an einem Tempel Shiwas vorbeikam, ging er hinein und warf sich dem Bild Shivas zu Füßen. »Der Gott ist höher als der Büßer«, dachte das Mädchen und beschloss, die Braut des Gottes zu werden. Da kam ein Hund in den Tempel, hob das Bein und pinkelte die Götterstatue an. Von nun an folgte das einfältige Mädchen dem Hund. Auf diese Weise kam es in die Hütte eines jungen Candalas. Als sie sah, dass der Hund ihm die Füße leckte, wählte das Mädchen zufrieden diesen jungen Mann als Gatten.

Toren wollen oft hoch hinaus, fallen dann aber in ihren Stand zurück.

Horst-Dieter Radke
nacherzählt nach einer Erzählung
aus dem alten Indien

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