Dienstag, 3. Mai 2011

Die Parabel

Die Parabel muss von der Fabel (denn sie ist mit ihr eng verwandt, weil auch sie gänzlich Erdichtung) wohl unterschieden werden, beide beschäftigen sich mit einem Bilde, aber in der Fabel liegt die Lehre in der beigefügten Anwendung des Bildes, in der Parabel in einem Gleichnisse, wie das des Jetham (Richt. 9,8 ff.), welches Gleichnis entweder gedeutet wird oder nicht; die Fabel nimmt ihre Bilder nicht aus der Menschenwelt, wohl aber die Parabel, jene nimmt sich auch aus der Thierwelt, die Parabel nicht. Die Fabel gibt stäts eine Moral, die Parabel nicht bloß diese, sondern sie deutet auf alle Zustände des Lebens, namentlich aber auf Religion; die Fabel kann scherzen, die Parabel ist stäts ernst. Sie ist eine durch ein Gleichniß belehrende Erzählung. Sie bewegt sich gern auf dem Gebiete der Wirklichkeit (was bei der Fabel nie der Fall ist) und stellt gern einen wahrscheinlichen Fall dar (so Jesu meiste Parabeln, z.B. von verlorenen Sohne, von den Arbeitern im Weinberge). Sie will eine Idee in einem fortschreitenden Bilde (zum Unterschiede von den Allegorie, deren Bild statarisch ist) entwickeln, dadurch Belehren, überzeugen, warnen. Der Meister in der Parabel ist Jesus. Ausgezeichnete Parabeln sind außer des schon erwähnten des Jotham, die Bußpredigt Nathan’s an David (2. Sam. 12.), in Lessing’s Nathan die von den drei Ringen. Auch Herder und Krummacher haben auf diesem Gebiete Ausgezeichnetes geliefert.

D.J.G. Scheibel
in: Allgemeine Kirchenzeitung
Sonntag 22. October 1837
Nr. 169, S. 1389 f.

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