Donnerstag, 7. März 2019

Fabeln über Paradiesvögel

Bildquelle: Wikipedia


Die merkwürdigsten sind die Paradiesvögel (Paradisea) von denen man mehrere Arten kennt, welche hier zum Theil ausschließend einheimisch sind. Nicht bloß der Pracht ihrer Federn und Farben wegen, sondern auch durch wunderliche Mährchen, die von ihnen erzählt und geglaubt wurden, sind diese Vögel bei den Naturforschern und Sammlern berühmt worden. Dahin gehört die Fabel, daß sie ohne Beine geboren würden, nie die Erde berührten, ihr ganzes Leben hindurch in der Luft schwebten, und als ächte Kinder des Paradieses bloß vom Thaue des Himmels lebten. Man findet in den Schriften der älteren Naturforscher erbauliche Betrachtungen, über den Endzweck des Schöpfers bei dem Bau dieser erhabenen übersinnlichen Vögel. Die Fabel hat eine einfache Veranlassung. Bei dem Zuge der Vögel bringt bisweilen ein heftiger Windwechsel ihre langen Schulterfedern in Unordnung; dies hindert sie im Fliegen, und sie sollen entweder ins Meer, oder auf den Erdboden, wo sie nicht sogleich wieder auffliegen können, weil sie, bei dem eigenen Bau ihrer Federn, sich hierzu auf einem Baume oder sonst auf einem erhabenen Gegenstande befinden müssen. Die Einwohner fangen sie nun leicht, schneiden ihnen die Füße ab und tragen sie als Zierathen auf ihren Turbans. Einige wurden den Holländern auf den Gewürzinseln verkauft, welche entweder selbst glaubten, daß die abgeschnittenen Füße von der Geburt an fehlten, oder welche in ihrem ehrlichen Speculationsgeiste es einträglicher fanden, in Europa solche Wundervögel zu verkaufen.

Eine andere Fabel erzählt von den Königsvögeln (Paradise regia Lin.) daß sie ihrem Könige oder Anführer mit eben dem Gehorsam und der Ehefurcht gehorchen, wie ein Unterthan seinem Monarchen. Wenn eine Schaar zum Wasser oder an einen Platz kommt, wo sich Nahrung findet, so soll kein Vogel eher das Wasser oder Futter anrühren, bis der König getrunken oder gefressen hat. Dieses, in Indien als unläugbare Wahrheit geglaubte Märchen hat keinen anderen Grund, als daß diese Vögel bei ihren Zügen einem folgen, der vorausfliegt, was auch andere Zugvögel zu thun pflegen.

Neueste Länder- und Völkerkunde.
Ein geographisches Lesebuch
Sechszehnter Band. Australien.
von Dr. L. Lindner
Weimar, 1814

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