Am Ufer eines Teiches in der Nähe einer Einsiedelei lag völlig regungslos eine alte Schlange, der es schwer fiel, Frösche zu erhaschen. Da kamen die Frösche bis auf respektvolle Entfernung heran und fragten; »Sag, warum frißest du uns nicht mehr wie sonst?« Die Schlange antwortete; »Ich kroch einem Frosche nach und biß in der Verwirrung einen Brahmanensohn in den Daumen. Er starb daran, und der Fluch seines Vater hat mich nun zum Reittier der Frösche bestimmt. Wie kann ich euch also fressen? Im Gegenteil, ich führe euch spazieren.« Als der Froschkönig dies gehört hatte, stieg er aus dem Wasser, denn er hätte gar zu gern das Reiten versucht; furchtlos kletterte er der Schlange auf den Rücken und war ganz außer sich vor Freude. Die Lust am Reiten machte ihn und seine Genossen ganz vertraulich. Eines Tages aber stellte sich die Schlange schwach und sagte heuchlerisch; »Ohne Nahrung, o König, kann ich nicht weiter geh’n; deshalb verschaff mir Speise! Wie kann ein Diener ohne Kost besteh’n?« Der Froschkönig, der ganz vernarrt ins Reiten war, versetzte drauf: »Nun, so friß eine bemessene Zahl von meinem Gefolge!« So fraß die Schlange nach und nach die Frösche nach Belieben auf, und der König, stolz umherreitend, merkte nichts und ließ es geschehen.
Indische Erzählungen
Aus dem Sanskrit zum erstenmal ins Deutsche übertragen
von Dr. Hans Schacht
Lausanne und Leipzig, 1918
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