Freitag, 13. Juli 2012

Vom Fuchs und dem Bock

Ein Fuchs und ein Bock sprungen vor Durst in einen Brunnen / damit sie trincken möchten / nachdem sie aber getruncken hatten / kunten sie nicht wieder heraus / wie wohl sie es auf allerhand Weise versuchte; da sprach der Fuchs zum Bock / mein Freund / sey gutes Muths / es ist mir ein unfehlbares Mittel eingefallen / durch welches wir aus disem schlimmen Ort kommen mögen. Du must dich mit deinen fodern Füssen an die Maur spreitzen / und ich will auf deine Schultern / und hernach herausspringen / so bald aber ich draussen seyn werde / will ich dich auch heraus ziehen. Der Bock trauete dem Rath des Fuchses / und thäte / wie er ihm gesagt hatte. Da der Fuchs sich frey sahe / fieng er an vor Freuden um den Brunnen zu springen und zu tanzen / und spottete des Bocks / bekümmerte sich auch wenig ihn heraus zu ziehen / deßwegen ihn der Bock einen Betrüger und Treulosen schalte / weil er ihm die gegebene Parole nicht gehalten. Aber er antwortete ihm; O du guter Bock / wann du so viel Hirn im Kopffe hättest / als Haare du im Barte hast / wärest du nicht hinunter gesprungen / wan du nicht vorher wohl betrachtet / wie du wieder heraus kommen köntest.

Lehre
Ein Mensch soll nichts vornehmen / er habe dann vorher das End betrachtet.

Autzerlesene Fabeln

Aus dem Frantzösischen in das Italienische durch den Herrn de Veneroni, Sprach-Meistern zu Paris: Und dann durch Herrn Balthas Nickisch, Sprach-Meistern zu Augspurg ins Teutsche übersetzt. Alles mit Kupffer-Stücken bey einer jeden Fabel ausgezieret: der Sprach-liebenden und Kunst-geneigten Jugend zu nützlicher Ergötzlichkeit
Zu Augspurg bey Johann Ulrich Krauß, Burger und Kupfferstecher daselbst, 1718

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