Freitag, 27. Juli 2018

Der Mond und der Komete


Die Zeit verbarg des Tages Schein,
Die Nacht schwang ihre feuchten Flügel,
Schon über die bethauten Hügel,
Und schlummerte den Erdkreis ein,
Ihr Schatten wich dem Sternenlichte,
Der Mond strich sein verhüllt Gesichte
Mit silberfarbnen Hörnern an,
Nicht weit von ihm stund ein Komete,
Der seinen Sweif in schiefer Bahn
Nach dem bestirnten Süden drehte.

Weißt du auch, Nachbar! Sprach der Mond,
Wie schrecklich von dir auf der Erde
Von manchem Volk geredet werde,
Das ihr verdunkelt Rund bewohnt?
Man sagt, du seyst ein Unglücksbote,
Der Hunger, Pest und Würgen drohte,
Dein Anblick schrecke, was sterblich ist,
Ja, es besorgt der Mensch nicht selten,
Wenn du am Himmel sichtbar bist,
Den nahen Umsturz aller Welten.

Wie? Ich, o Mond! Wo denkst du hin?
Rief der erstaunende Komete,
Ich sey ein Pest- und Kriegsprophete?
Weiß denn die Erde, daß ich bin?
Ja! Fiel die Antwort, alle Schritte,
Die du gethan, und alle Tritte,
Die du noch thun sollst, sind bestimmt.
Man hat das Maaß von deinem Gange,
Und wenn dein Stral den Rückweg nimmt,
Das weiß man auf der Erde lange.

So wissen, fiel der Schwanzstern ein,
Vermuthlich auch die Erdenleute
Die zwischen uns gesetzte Weite,
Wie kann ich ihnen schrecklich seyn?
Warum nicht? Sagte der Planete,
Man hat gemerkt, wenn eine Komete
Sich unserm Erdenball genaht,
Das Theurung, Seuchen, Krieg entstunden,
Und da es niemand anders that,
Ward der Komete Schuld befunden.

Wahr ists, man hört genug von Pest,
Von Theurung und von Kriegsgetümmel,
Wenn auch dein Stern im obern Himmel
Der Erde sich nicht sehen läßt.
Hier wurde der Komet entrüste:
O, wenn ihr meinen Ursprung wüßtet,
Verleumdrisches Geschlecht! sprach er,
Was mögt ihr euch für Fallen graben,
Da nicht einmal die Sterne mehr
Vor euch am Himmel Friede haben?

M.G.Lichtwerns, Königl. Regierungs-Raths
im Fürstenthum Halberstadt,
Fabeln in vier Büchern, gedruckt bey
Joh. Thom. Edl. V. Trattnern, 1769

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