Montag, 13. Februar 2017

Die schlauen Mädchen

Zwey Mädchen brachten ihre Tage
Bey einer alte Base zu.
Die Alte hielt, zu ihrer Muhmen Plage,
Sehr wenig von der Morgenruh.
Kaum krähte noch der Hahn bey frühem Tage:
So rief sie schon: Steht auf, ihr mädchen, es ist spät,
Der Hahn hat schon zweymal gekräht.

Die Mädchen, die so gern noch mehr geschlafen hätten;
Denn überhaupt sagt man, daß es kein Mädchen giebt,
Die nicht den Schlaf und ihr Gesichte liebt;
Die wunden sich in ihren weichen Betten,
Und schwuren dem verdammten Hahn
Den Tod, und thaten ihm, da sie die Zeit ersahen,’Den ärgsten Tod rachsüchtig an.

Ich habs gedacht, du guter Hahn!
Erzünter Schönen ihrer Rache
Kan kein Geschöpf so leicht entfliehn.
Und ihren Zorn sich zuzuziehn,
Ist leider eine leichte Sache.

Der arme Hahn war also aus der Welt.
Vergebens nur ward von der Alten
Ein scharf Examen angestellt.
Die Mädchen thaten fremd, und schalten
Auf den, der diesen Mord gethan,
Und weinten endlich mit der alten
Recht bitterlich um ihren Hahn.

Allein was halfs den schlauen Kindern?
Der Tod des Hahns solt ihre Plage mindern,
Und er vermehrte sie noch mehr.
Die Base, die sie sonst nicht eh im Schlafe störte,
Als bis sie ihren Haushahn hörte,
Wußt in der Nacht jetzt nicht, um welche Zeit es wär;
Allein weil es ihr Alter mit sich brachte,
Daß sie um Mitternacht erwachte:
So rief sie die auch schon um Mitternacht,
Die, später aufzustehn, den Haushahn umgebracht.
***
Wärst du so klug, die kleinen Pagen
Des Lebens willig auszustehn:
So würdest du dich nicht so oft genöthigt sehn,
Die grössern Uebel zu ertragen.

C.F. Gellert

Keine Kommentare: