Donnerstag, 25. Juli 2013

Die Nachtigall, der Habicht, der Vogelsteller

Die neunzehnte Fabel

Ein Habicht lauft‘ im Nest der Nachtigall
Auf einen Hasen, und fand Junge drinnen.
Die Mutter kam voll Angst bey der Gefahr der Brut
Herbeygeflogen, und fleht‘ ihrer doch zu schonen.
Dein Wille soll geschehen, sprach der Habicht,
Wenn du mir willst ein schönes Liedchen trillern.
Die Lust verging ihr – doch sie sang, aus Furchte
Gezwungen und betrübnißvoll. Du hast
Nicht gut gesungen, sprach der Habicht, und ergriff
Ein Junges mit den Klauen, und verschlang es.
Indessen kam von hinterher ein Vogelsteller,
Berührt ihn unbemerkt mit seinem Leimrohr
Und zog den Bösewicht herunter auf die Erde.

Wer einen Andern zu berücken trachtet,
Hat sich zu fürchten, auch berückt zu werden.

Phäders Aesopische Fabeln,
deutsch, in Reimfreyen Jamben,
übersetzt Breslau, bey Will. Gottl. Korn, 1785

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