Dienstag, 30. November 2010

Politische Fabeln zum Revolutionsjahr 1848 (3)

In diesem Momente entstanden jene Fabeln, welche der Leser hier vor Augen hat. Erschrocken, empört über die furchtbare Enttäuschung, erfüllt von Besorgniß um sein geliebtes Oesterreich, nicht bloß todesmuthig, sondern lebensüberdrüßig nach dem entheiligten Idole, das er von der Freiheit eines edlen und großen Volkes im Busen getragen und in den geheimsten Winkeln seines Herzens gehegt, stürzte sich der Verfasser gleichsam in die Speichen des Rades der Revolution - allein, verlassen von allen, verhöhnt und selbst mit dem Tode bedroht - unbekümmert, ob es ihn zermalme, nicht erst überlegend oder berechnend, ob ein so kleiner und geringer Widerstand Erfolg haben könne. Er dachte nur an seine Pflicht! Die 76. und 81. Fabel drückt seine Gedanken aus.
LXXVI.
Ich rechnete nicht.

Ein Tempelritter hatte drei Stücke Metall vor sich liegen. »Wählet,« sagte er, »was soll aus euch werden?«
»Ich,« sprach das eine trotzig, »bin spröd und spießig - Speer möcht‘ ich sein im Turnier und Streit.«
»Ich,« bath demüthig das andere, »bin hart und fest; Dir, o Herr, möcht‘ ich dienen als Schild.«
»Und ich,« wedelte das dritte Stück, »bin geschmeidig - lass‘ mich zur Zier deines Helmes gedeihen!«
Der Tempelritter ließ aus dem ersten Stück einen Speer, aus dem zweiten einen Schild, aus dem dritten die stolze Zier seines Helmes schmieden.
So kam der Speer beim nächsten Turniere in die Hand eines Gegners, während der Schild im Kampfe die Brust des guten Herrn also deckte, daß der wohlgezielte Spieß zersplitterte, aber auch Er eine Schramme bekam. Da rief die schimmernde Zier vom Helm herunter: »Thörichter Schild, nun magst du in der finstern Eisenkammer vom Rost zerfressen werden? Warum hattest du nicht Geschmeidigkeit zur Tugend gewählt? Sieh‘, wie allein ich hoch oben glänz‘ und eine Zukunft errang!«
Ihm aber der Schild: »Das Herz meines Herrn schlägt noch, und jener Speer, dessen Stoß ihm gegolten, liegt in Splittern vor uns. Andres hab‘ ich niemals verlangt. Wer Schild sein wollte, rechnete nicht.«
*
Sprecht nicht von »Mitte halten,« von »Geschmeidigkeit,« ihr Klugen! Daß die äußerste Rechte unmöglich macht, weiß der ehrliche Mann. Aber antworten kann er, wie jener Schild: »Ich rechnete nicht.«

Politische Fabeln von J.S. Ebersberg, 1849

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